Statt eines Ein-Stunden-Takts könnte es in ein paar Jahren alle halben Stunden Anschlusszüge geben.

Foto: Robert Newald

Wien - Der "Integrale Taktfahrplan" (ITF), das erklärte Ziel der an die Nationalratsspitze gewechselten Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ), rückt näher. Zumindest auf dem Papier, denn der ITF soll gesetzlich verordnet werden. Zu diesem Zweck sollen das Eisenbahngesetz 1957 novelliert und "österreichweit symmetrisch vertaktete Verkehre verknüpft" werden.

Der von Bures' Nachfolger Alois Stöger (SPÖ) in Begutachtung geschickte Gesetzentwurf sieht vor, dass Personenzüge "auf Haupt- und Nebenbahnen in festen Zeitintervallen" fahren, um Fahrgästen "nach Ankunft auf einem Bahnhof das Umsteigen am selben Bahnhof" in Anschlusszüge "in angemessener Zeit" zu ermöglichen.

Wie kurz diese Intervalle sein sollen, regelt der Gesetzentwurf nicht. Auch nicht, wer diese Eisenbahnverkehrsdienste erbringen und wann der integrierte Taktfahrplan Realität werden soll. Ein Anhaltspunkt findet sich in den Erläuterungen, wo auf das "Arbeitsprogramm der Bundesregierung 2013 bis 2018" verwiesen wird, in dem die Einführung in Etappen vereinbart wurde.

Maßanzug für ÖBB-Personenverkehr

Details zum Leistungsangebot gibt der Entwurf nicht vor. Bezüglich des Leistungserbringers dürfte der Verkehrsminister wohl welche haben. Denn die Regelungen scheinen maßgeschneidert für jenes marktbeherrschende Unternehmen, als dessen Eigentümervertreter Stöger fungiert und das als einziges Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) in der Lage ist, einen Österreich-Takt anzubieten: die ÖBB-Personenverkehr AG. Dieser ÖBB-Teilkonzern hat für den ITF bereits jede Menge Vorarbeiten geleistet. Zwecks "Koordination von Fahrplan, Rollmaterial, Partnern, Bestellern und Infrastruktur" läuft der ITF "immer bei einem Eisenbahnverkehrsunternehmen zusammen", heißt es - unter Verweis auf die Schweiz und Niederlande - in der beim Schienengipfel im November vom ÖBB-Personenverkehr vorgetragenen Präsentation, die dem STANDARD vorliegt.

Das Problem: Führte die ÖBB-Personenverkehr AG österreichweit einen ITF nach ihren Vorstellungen ein, sind die entsprechenden Zugtrassen für andere Anbieter automatisch blockiert. Schließlich können nicht zwei Züge gleichzeitig auf einem Gleis fahren. Gefahr von Diskriminierung sieht, Ursula Zechner, für Bahn und Straße zuständige Sektionschefin im Verkehrsministerium, nicht: Zuständig für die Trassenvergabe sei ja die für Betrieb und Erhaltung des Schienennetzes zuständige ÖBB-Infrastruktur, sagte Zechner zum STANDARD. Ziel des Gesetzes sei die effiziente Nutzung des Schienennetzes. Die sei mit einem integralen Taktfahrplan gegeben. Den "Open Access", also den freien Zugang zur Fahrwegkapazität, dürfe und werde die ÖBB-Infrastruktur keinesfalls ausschließen.

Autonome Fahrplanerstellung

Das stimmt. In der Praxis ist es aber so, dass nicht der Infrastrukturbetreiber den Fahrplan erstellt, sondern jedes EVU autonom für sich. Die dafür benötigten Trassen, also die Slots, in denen die Züge die Gleise befahren dürfen, beantragt das EVU bei der ÖBB-Infra, die kein EVU diskriminieren darf - außer, und das ist neu, den Anbieter eines integralen Taktfahrplans. ITF-Anbieter haben laut Paragraf 65 des Gesetzesentwurfs bei Trassenzuweisung und Netzfahrplanerstellung explizit Vorrang.

"Hier soll elegant der Wettbewerb ausgeschaltet werden", warnt Westbahn-Chef Erich Forster auf STANDARD-Anfrage. Er schlägt einen Ausweg vor: Mit der Umsetzung eines österreichweiten Taktfahrplans sollte der ÖBB-Teilkonzern ÖBB-Infrastruktur AG betraut werden. Sie stellt bereits jetzt den diskriminierungsfreien Netzzugang und die dazugehörigen Fahrtrassen für alle EVU zur Verfügung und hebt auch das Infrastrukturbenützungsentgelt (IBE, vulgo "Schienenmaut") ein. Sie könnte die gewünschte Verknüpfung von Zubringerverkehren mit dem Hauptnetz sicherstellen und so eine Ausschaltung des erst 2007 eingeführten Wettbewerbs im Schienenpersonenverkehr verhindern.

Einem österreichweiten Taktverkehr wäre dies keinesfalls abträglich, wie das Beispiel Schweiz zeigt. Dort gibt auch die marktbeherrschende SBB den Takt vor, nach dem Privatbahnen wie BLS oder Rhätische Bahn fahren. Ihre Züge knüpfen nahtlos an den SBB-Takt an, Fahrgäste steigen ohne Wartezeit um.

Eingriff in Schienen Control

Abgesehen vom Taktverkehr enthält die Gesetznovelle eine Reihe von Bestimmungen, die unions- und verfassungsrechtlich bedenklich sein könnten. So etwa könnte der Regulator Schienen Control an die kurze Leine genommen werden. Denn der Verkehrsminister holt sich die Erlaubnis, in Entscheidungen der per Gesetz unabhängigen Schienen Control Kommission (SCK) einzugreifen, wenn "bevorstehende Entscheidungen der SCK geeignet sind, die Sicherheit des Eisenbahnbetriebs zu gefährden" oder den Wettbewerb am Schienenverkehrsmarkt zu beeinträchtigen. "An Einmischung ist nicht gedacht", betont Sektionsleiterin Zechner. Wie das Gesetz im Endeffekt aussehen wird, ist offen. Die Begutachtung läuft bis 6. Mai. In nationales Recht zu implementieren ist der Recast der EU-Richtlinie 2012/34/EU bis 16. Juni 2015. (Luise Ungerboeck, DER STANDARD, 29.4.2015)