Megaphone bringen den Theseustempel zum Klingen.

Foto: KHM-Museumsverband

Turnerpreisträgerin aus dem Jahr 2010: Die schottische Künstlerin Susan Philipsz.

Foto: Ken Adlard

Im Making-of zu Philipsz Klanginstallation sind auch die ramponierten Instrumente zu sehen.

Kunsthistorisches Museum Wien

Wien - So ein bisschen London Fog, klassisch britisches Nebelwetter würde sich im Volksgarten auch gut machen: Durch die Schwaden würden die Trompetensignale wie von Ferne wabern, ein Gefühl des Unheimlichen verbreiten, womöglich auch von Gefahr. Bilder tauchen im Gedächtnis auf, Erinnerungen an Gerüche. Und schon hat die von Susan Philipsz für den Theseustempel realisierte Klanginstallation ihr Potenzial unter Beweis gestellt: Klänge können tiefe Emotionen hervorrufen, ja Erinnerungen in Gang setzen, ist die Künstlerin (geb. 1965 in Glasgow) überzeugt.

Melancholisch-historische Arbeiten

Bei der Präsentation am Dienstag herrschte Kaiserwetter, das allem - auch den einzelnen Bläsertönen - etwas Feierliches verlieh. Auf die Stimmungen des Lichts reagiert hatten schon frühere Interventionen im ursprünglich als Behausung für Antonio Canovas Skulptur Theseus besiegt den Kentauren gebauten Tempel - etwa Richard Wrights allmählich oxidierendes Silberornament 2013. Philipsz' Klänge selbst verändern sich freilich nicht, aber ihre Wahrnehmung, die Assoziationen, die sie auslösen.

Melancholisch sind die meisten ihrer, von der Historie angestoßenen Arbeiten: Sei es Lowlands, bestimmt von einem schottischen Klagelied eines Ertrunkenen, eine der Arbeiten für die Philipsz 2010 den Turnerpreis erhielt, oder auch jenes Stück für die Documenta 13, das dem in Theresienstadt ermordeten jüdischen Komponisten Pavel Haas gewidmet ist. Sie realisierte es am Kasseler Bahnhof, einem Ort der Deportation.

Aufgeladen im klassizistischen White Cube

In die Geschichte des Ortes bettet sich auch das nun entstandene Stück War Damaged Musical Instruments: Zwar ist der Tempel ein klassizistischer White Cube, also reines Kunstgehäuse; aber er entstand immerhin auf Resten der einstigen, von Napoleons Truppen zerstörten Stadtbefestigung. Obendrein war der Marmortheseus nicht gerade zimperlich.

So konstruiert man einen aufgeladenen Ort, der sich gut zu Philipsz' Interesse für im Krieg beschädigte Instrumente fügte: Wie würden diese von Granatsplittern durchlöcherten Objekte klingen? In einer Münchner Kollektion fand sie schließlich fragile Trompeten, die einst im Kavallerieregiment Erzherzog Franz Ferdinands gespielt wurden, denen man nach mehr als 100 Jahren wieder Töne entlocken durfte. Es sind die einzelnen Noten von The Last Post, jenem militärischen Hornsignal, das meist nur noch als letzter Gruß zum Gedenken an gefallene Soldaten gespielt wird.

Der Atem, das Leben, das der Musiker den versehrten Instrumenten einhaucht, formt nicht jedes Mal einen Ton, manchmal flüchtet er sich wie ein Ächzen durch die Löcher - Wunden. Tonfragmente, die nun über Lautsprecher aus dem Raum ein Erinnerungsgehäuse formen. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD, 29.4.2015)