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Der Streit um Inseln und Meeresgebiete im Südchinesischen Meer bringt Vietnam dem früheren Erzfeind USA näher.

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Festtagsschmuck in Ho-Chi-Minh-Stadt, dem ehemaligen Saigon

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Hanoi/Phnom Penh - Der 30. April 1975 ist für die USA noch heute ein schmähliches Datum - für Vietnam markiert er den Sieg gegen einen schier übermächtigen Gegner. Es ist der Tag des Falls von Saigon, der am heutigen Donnerstag im südostasiatischen Land als Feiertag begangen wird. Zugleich erinnert er an die schwere Hypothek, die seither auf den Beziehungen der beiden Länder lastet.

Mehrere Millionen Vietnamesen, vor allem Zivilisten, verloren während des jahrzehntelangen Stellvertreterkrieges der Großmächte ihr Leben, Tausende leiden noch heute unter Folgeschäden, vor allem wegen des massiven Einsatzes des Entlaubungsmittels Agent Orange. Während des Krieges versprühten die Amerikaner knapp 80 Millionen Liter des hochtoxischen Mittels. Nach Angaben des Präsidenten des Verbands vietnamesischer Opfer von Agent Orange, Nguyen Van Rinh, waren fast fünf Millionen Vietnamesen dem Gift ausgesetzt, drei Millionen von ihnen starben.

"In erster Linie pragmatisch"

Und trotzdem: Die Verbindungen Vietnams zu den USA haben sich in den vergangenen Jahren merklich verbessert. Angesichts der sehr jungen Bevölkerung kennen viele Vietnamesen den Krieg nur aus Erzählungen. Und auch die Regierung will Entspannung.

"Im Gedächtnis ist der Krieg natürlich bei den politischen Eliten und der Bevölkerung verankert", sagt Felix Heiduk, Südostasien-Experte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin." Aber die Regierung agiert in erster Linie pragmatisch.

Seit Hanoi in den späten 80er-Jahren ein wirtschaftliches Reformprogramm ("Doi Moi" oder "Erneuerung") eingeleitet hat, steht nun vor allem der Wohlstand im Vordergrund. "Die wirtschaftliche Entwicklung ist zentral für die politische Legitimation der Führung", urteilt Heiduk.

Tatsächlich ist der wirtschaftliche Aufschwung beachtlich. Wer heute Saigon betritt und die Stadt vor 20 Jahren erlebt hat, erkennt sie kaum wieder. Der Internationale Währungsfonds (IWF) schätzt das Wachstum in diesem Jahr auf sechs Prozent. Die USA haben ihr Embargo gegen Vietnam aufgehoben, und seit Jänner 2007 ist das Land Mitglied der WTO.

"Man mag den Lebensstil"

Die Jugend setzt auf Fortschritt: "Der Krieg ist heute kein großes Thema mehr", sagt etwa Khac Giang Nguyen, 27, freier Journalist in Hanoi. "Die Jugend ist sehr offen gegenüber Amerikanern und hegt eher mehr Sympathie für die USA als für China. Man mag einfach den westlichen Lebensstil."

Die Beziehungen zu Washington haben aber auch aus einem anderen Grund Auftrieb bekommen. China hat in den vergangenen Monaten zunehmend aggressiv seine Gebietsansprüche in den rohstoffreichen Gewässern des Südchinesischen Meers untermauert und so Anrainerstaaten wie Vietnam und die Philippinen, die ebenfalls Ansprüche erheben, vor vollendete Tatsachen gestellt. Mehrere Riffe wurden zu kleinen Inseln aufgeschüttet, um dort chinesische Einrichtungen zu installieren.

Die USA stehen diesen Ansprüchen bisher ablehnend gegenüber und bieten sich damit als Bündnispartner im Hintergrund an. "Vietnam wird wegen des Konflikts nicht in das amerikanische Lager wechseln", sagt Heiduk. Vielleicht biete sich sogar die Chance, die beiden politischen Giganten gegeneinander auszuspielen. Aber es bestehe auch immer noch die Gefahr, "dass die südostasiatischen Staaten die Bauern im Spiel der Großmächte sind". (Christian Vits, DER STANDARD, 30.4.2015)