Jean-Claude Juncker ist in den ersten Monaten seiner Amtszeit viel kritisiert worden. Sein Start als Kommissionspräsident war weniger überzeugend als versprochen, sein Team bisher eher handzahm bis lahm - vom Vorschlag einer Investitionsinitiative abgesehen.

Nach dem, was er im Plenum des Europaparlaments zum Flüchtlingsproblem und zum Massensterben im Mittelmeer sagte, muss man Juncker nun ausdrücklich loben. Er zeigt Haltung und Stärke - uneingeschränkt. Ruhig, aber mit klaren Worten hat er den 28 Regierungschefs der Gemeinschaft gesagt, was die Beschlüsse beim EU-Sondergipfel wert sind: nicht viel. Es reicht bei weitem nicht.

Die Verdreifachung der Mittel für das Seeüberwachungsprogramm Triton entspricht faktisch nur der Rückkehr zur nationalen Aktion Italiens, Mare Nostrum. Sie rettete tausende Menschenleben, wurde auf Druck Deutschlands aber beendet. Juncker hat auch mit seiner Forderung nach einem Quotensystem für Asylsuchende recht. Die Union muss so handeln, will sie ihre eigene Basis als humane Gesellschaft nicht selbst zerstören. Die Regierungschefs wollen 5000 Flüchtlinge in einem Pilotprojekt EU-weit "gerecht" aufteilen. Das kann's nicht sein. Die EU hat 507 Millionen Einwohner. Das wäre ein Flüchtling pro 100.000 Einwohner. Österreich müsste 80 "EU-Flüchtlinge" versorgen, auf Wien mit 1,8 Millionen Einwohnern kämen 18 - die Dimension eines Kleinbusses. Ticken wir richtig? (Thomas Mayer, DER STANDARD, 30.4.2015)