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Ejaculatio praecox ist eine Störung der Sexualfunktion, bei der Männer zu früh zum Höhepunkt kommen – und darunter leiden.

Foto:dpa/Daniel Reinhardt

Frühzeitiger Samenerguss ist ein Tabuthema, obwohl es sich dabei um die häufigste sexuelle Funktionsstörung handelt. In Befragungen geben zwischen drei und 30 Prozent der Männer an, zu früh zu "kommen" und mangelnde Kontrolle über den Zeitpunkt ihres sexuellen Höhepunkts zu haben.

"Wir gehen davon aus, dass etwa jeder siebente Mann darunter leidet – entweder an einer lebenslangen oder einer erworbenen Form", sagt Markus Margreiter, Urologe an der Med-Uni Wien. Erworben etwa durch einen Partnerwechsel oder Beziehungsprobleme. Die Verteilung dürfte über alle Altersgruppen in etwa gleich sein, auch wenn die meisten Hilfesuchenden zwischen 25 und 35 Jahre alt sind.

Variabler Zeitpunkt

Laut Definition spricht man dann von einer klinischen Störung, wenn zwischen Eindringen in die Scheide und Ejakulation weniger als eine Minute vergeht (DSM-V). In den aktuellen DSM-V-Diagnosekriterien heißt es zudem, dass die vorzeitige Ejakulation mindestens sechs Monate und in mehr als 75 Prozent der Geschlechtsakte vorliegen muss.

Zu einem gewissen Maß ist der variable Zeitpunkt des Orgasmus ganz natürlich. Sobald sich aber ein Leidensdruck und daraus resultierende Probleme in der Partnerschaft ergeben, sollte man Hilfe aufsuchen. "Viele Betroffene meiden sexuellen Kontakt und Nähe, verlieren jegliches sexuelles Selbstvertrauen. Das frustriert beide Seiten", sagt Margreiter. Das ist ein Teufelskreis, denn das Problem wird dadurch nur schlimmer.

Keine Erkrankung, vielmehr Symptom

Allerdings: Mittlerweile gibt es die Tendenz Potenzprobleme nicht mehr als Erkrankung, sondern als Symptom zu sehen. Die Ursachen liegen meist woanders. Häufig geht das Problem mit einem gestören Serotoninhaushalt einher: Gibt man Betroffenen ein Antidepressivum aus der Gruppe der Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI), verschwindet die Störung oft.

"Von der Annahme, dass die frühzeitige Ejakulation ein rein psychisches Problem ist, kommt man mehr und mehr ab", sagt Margreiter, denn oft gebe es eindeutige organische Ursachen. Etwa Erkrankungen von Prostata, Schilddrüse oder Herz-Kreislauf – die sich häufig zuerst bei der Sexualfunktion zeigen.

Auch als Nebenwirkung eingenommener Medikamente (etwa Reboxetin und Citalopram) kann sie auftreten. Genauso können aber auch psychische Ursachen wie etwa Probleme in der Partnerschaft oder Stress dahinter stecken. Auch pubertäre Prägung, Unerfahrenheit, Versagensängste und einschneidende frühere Erlebnisse gelten als Ursache. Aufgrund der Vielzahl möglicher Gründe ist ein umfassendes Anamnesegespräch essenziell.

Wirksame Therapien

Obwohl der Leidensdruck enorm sein kann, gehen weniger als zehn Prozent der Betroffenen zum Arzt. "Die meisten beziehen ihre Information aus dem Internet. Es gibt eine enorme Hemmschwelle, sich Hilfe zu holen", sagt Urologe Margreiter.

Weil Potenzprobleme nach wie vor mit Scham und Stigma behaftet sind, greifen viele zu eigenen "Lösungen": Alkohol, illegale Drogen, spezielle Cremes oder bestimmte Stellungen beim Geschlechtsverkehr.

Dabei gibt es mehrere erwiesenermaßen wirksame Therapien. Durch die Einnahme des rasch wirkenden Antidepressivums Dapoxetin (Handelsname Priligy) – der einzigen Bedarfsbehandlung, die für Ejaculatio praecox zugelassen ist – lässt sich die Dauer bis zur Ejakulation um bis das Vierfache verlängern, wie Studien belegen. Auch die Kontrolle über den Zeitpunkt des Orgasmus lässt sich damit verbessern.

Tabu brechen

Aber auch "Off-Label Use"-Medikamente, die zwar nicht explizit für diese Behandlung zugelassen sind, haben sich bewährt: Etwa eine Reihe Antidepressiva (trizyklisch oder SSRI) und manche Schmerzmittel (etwa Tramadol). Auch Lokalanästhetika (etwa Lidocain oder Prilocain), die direkt am Penis aufgetragen werden und dessen Reizbarkeit senken, sind effektiv. Problematisch ist hier jedoch, dass diese auch auf die Vagina wirken.

Nicht zuletzt profitieren viele auch von einer Verhaltens- oder Sexualtherapie, idealerweise gemeinsam mit der Partnerin, die man möglichst frühzeitig mit einbeziehen sollte. Das allein kann bereits zu einer dauerhaften Besserung führen. Voraussetzung ist: darüber reden zu können, so unangenehm das auch sein mag. (Florian Bayer, 3.5.2015)