Kiew/Wien - Während der ukrainische Oligarch Dmytro Firtasch in Wien auf den Ausgang eines US-Auslieferungsbegehren wartet, kämpfen seine Firmen in der Ukraine mit Problemen. Am Vortag der Wiener Gerichtsverhandlung, in der über eine Auslieferung entschieden werden könnte, sollen in Kiew am Mittwoch laut ukrainischem Innenministerium fast 500 Mio. Kubikmeter Gas von Firtasch-Firmen beschlagnahmt worden sein.

Premierminister Arsenij Jazenjuk sprach am Mittwoch in Kiew von einem mutmaßlichen "Milliardendiebstahl" der Oligarchengruppe Firtasch-Ljowotschkin, und das ukrainische Innenministerium verkündete, dass ein Kiewer Bezirksgericht 500 Millionen Kubikmeter Gas beschlagnahmt habe, das Tochterunternehmen von Ostchem gehöre.

Die Ostchem Holding hat ihren Sitz am Wiener Parkring, ihr Besitzer ist Dmytro Firtasch. Dieser ließ die Anschuldigen via Presseaussendung sofort zurückweisen: "Wir erachten die Erklärung des ukrainischen Premierministers über die Einleitung eines Strafverfahrens als Teil einer geplanten und längere Zeit laufenden Kampagne zur politischen Verfolgung der Group DF und ihres Besitzers." Bei DF handelt es sich um eine Firtasch-Firma auf Zypern. Als möglicher Grund für das Vorgehen der Behörden wurde jene Kritik an Regierungspolitikern genannt, die auf dem von Firtasch "

In der Vergangenheit hatte Dmytro Firtasch gar als maßgeblicher Unterstützer einer mittlerweile historischen Partei namens "Front des Wechsels" gegolten, die seinerzeit von Arsenij Jazenjuk - heute Ministerpräsident der Ukraine - angeführt wurde.

Königsmacher

Aber selbst nach Beginn seines unfreiwilligen Aufenthaltes in Österreich im Frühjahr 2014 hatte der ukrainische Oligarch Dmytro Firtasch noch nahezu als Königsmacher gegolten: Ende März 2014 waren die damaligen Parlamentarier Petro Poroschenko und Witali Klitschko zu Firtasch nach Österreich gepilgert. Sie hatten hier - so schrieb damals Journalist Serhij Leschtschenko in der Ukrajinska Prawda - eine "Wiener Allianz unter Firtaschs Patronat" geschlossen, die Poroschenko in einem Wahldurchgang ins Amt des ukrainischen Präsidenten hieven sollte.

Zuletzt hat Firtasch, den - obwohl er auf freiem Fuß lebt - ukrainische Medien oft als "Gefangenen von Wien" bezeichnen, jedoch massiv an politischem Einfluss verloren. Sein Versuch, mit einer "Agentur zur Modernisierung der Ukraine" wieder ins Gespräch zu kommen, wurde in Kiew nicht ernst genommen. Auf der von der Regierung organisierten Unterstützerkonferenz in Kiew war am Dienstag keine Rede von dieser "Agentur". Auch der Anfang März als Direktor präsentierte Ex-Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) fehlte.

Probleme mit Unternehmen

Zum Bedeutungsverlust mehrten sich gerade in den vergangenen Wochen Problemen für ukrainische Firmen Firtaschs. So erklärte Anfang Februar 2015 die ukrainische Nationalbank die Nadra-Bank, die zu 89,97 Prozent im Besitz der Centragas Holding GmbH in Wien steht, für zahlungsunfähig und stellte sie unter Zwangsaufsicht. Die Centragas Holding gehört zu 90 Prozent Dmytro Firtasch. Formal steht sie mehrheitlich im Besitz einer zypriotischen Gesellschaft, die einer Briefkastenfirma auf den British Virgin Islands gehört, die ihrerseits wieder einer zypriotischen Gesellschaft gehört, deren einziger Besitzer laut Angaben der ukrainischen Nationalbank Firtasch ist.

Aber auch in anderen Geschäftsbereichen ist Firtasch derzeit unter Druck. "Man hat ihm die Titan-Magnesium-Fabrik in Saporischschja weggenommen, die er durch die Gründung eines Joint Ventures praktisch aus dem Staatsbesitz herausgelöst hatte", erklärt der nunmehrige Parlamentsabgeordnete und Ex-Journalist Serhij Leschtschenko (Block Petro Poroschenko) die Konsequenzen einer Regierungsentscheidung von 4. April 2015. Zusätzlich seien mit Firtasch Verträge beendet worden, mit denen er Titan-Kombinate gepachtet hatte, und im Parlament sei ein Gesetz beschlossen worden, das die Kontrolle über Gasnetze entziehen werde, berichtet Leschtschenko.

Fernsehsender

Neben der aktuellen Beschäftigung von Behörden mit Ostchem könnten auch jene Strafverfahren zumindest unangenehm werden, die den Fernsehsender Inter betreffen. Dieser gehört mehrheitlich Firtasch und seinem Geschäftspartner Serhij Ljowotschkin, einem ehemaligen Leiter der Präsidentschaftskanzlei von Viktor Janukowitsch und jetzigen Oppositionsabgeordneten.

Die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft beschäftigt sich, so bestätigt die Behörde auf APA-Anfrage, mit einer fragwürdigen Umständen beim einem Inter-bezogenen Aktientransfer im Jahr 2005. Gleichzeitig gehe man einer weitere Anzeige nach. Parlamentsabgeordnete aus der "Volksfront"-Partei des Premierministers hatten den Verdacht geäußert hätten, dass 2015 durch die Überweisung hoher Beträge an einen russischen Fernsehsender womöglich auch Terrorismus mitfinanziert worden wäre. Firtasch hatte im Februar 2015 und nach massivem öffentlichen Druck jenen Anteil an Inter aufgekauft, den zuvor der staatliche russische "Erste Kanal" besessen hatte. (APA, 30.4.2015)