Selfie mit Kindern aus der Schule der "Friends for Nepal": Andreas Eberhardt hat sich vom Investmentbanker auf Traumaarbeit umgeschult und in Nepal seine Lebensaufgabe gefunden.

Foto: privat

Die Bilder der Vernichtung durch die Erdbeben in Nepal mit vielen Tausenden Toten, Hundertausenden ohne Wasser, Nahrung, ohne jede Infrastruktur, gehen um die Welt. Hilfseinsätze stehen vor riesigen logistischen Problemen. Andreas Klaus Eberhardt und Tom Stuppner (er ist aktuell vor Ort südlich von Kathmandu) sind mit ihrem Verein "Friends for Nepal" seit 2007 mit ihren Sozialprojekten mit Schwerpunkt Montessori-Schulausbildung in Nepali durch Nepaler, tätig und von der Zerstörung auch unmittelbar betroffen.

"Tom ist vor Ort als Spezialist für Kriseneinsätze, ich renne mir hier die Hacken ab für Spenden. Wir brauchen akut alles: Wasser, Nahrung, Zelte", sagt Eberhardt. Er ist ausgebildet in Osteopathie und Traumaarbeit (schreibt gerade seine Master-Thesis an der Donau-Uni in Psychotraumatologie) und praktiziert auch in diesem Gebiet.

Bis dorthin liegt ein steiler Weg hinter ihm mit einem großen Wandel: Eberhardt war einer der sogenannten Rainmakers in den Boomjahren der derivativen Anlageprodukte, hat den ersten großen Hedgefonds des Landes (mit Bernd Hasenbichler) gemacht und ein Leben im Bankerhimmel mit Positionen von Creditanstalt bis Nomura inklusive viel Geld geführt. Bis zur großen Wende in seinem Leben: Zum Engagement für Bildung und Traumaaufarbeitung als Lebensaufgabe.

STANDARD: Vom Saulus zum Paulus - wie kam es zur kompletten Richtungsänderung?

Eberhardt: Ende der 90er-Jahre - ich war damals selbstständig als Asset-Manager -, als mein erster Sohn zur Welt kam, habe ich viel infrage gestellt. Ich habe meine Firma an Christian Baha verkauft, er hat daraus Superfund aufgebaut. Ich habe bei Raiffeisen angeheuert. Durch die Beschäftigung mit systemischem Denken und mit Buddhismus wurde mir immer klarer, was ich nicht mehr tun kann. Es hat auch eine Krankheit mitgespielt. Ich habe dann sozusagen umgeschult: Osteopathie und Traumaarbeit, Ausbildungen gemacht. Äußerlich war der Wendepunkt wahrscheinlich der Tag, an dem in Kathmandu ein kleines Kind ohne Füße und Hände zu mir krabbelt und bettelt. Das ist mir so tief ins Herz gefahren. Aber ich muss dazu sagen, dass ich ohne meine zwei Söhne, ohne die wunderbare dramatische Veränderung in meinem Leben, in mir und um mich herum durch die Geburt der zwei, wahrscheinlich überhaupt nie nach Nepal gekommen wäre. Es ging schrittweise, aber unaufhaltsam.

STANDARD: Dann ging’s ziemlich schnell ...

Eberhardt: Eigentlich ja. Ich hatte Tom kennengelernt und wir wollten etwas für die vielen ausgesetzten Kinder, für die Straßenkinder machen. Das war Anfang 2007. Drei Wochen später hatten wir unseren Verein gegründet und mit eigenem Geld und mit Spenden Land gekauft und eine Schule gegründet, ein Waisenhaus ausgebaut. Tom hatte vor Ort schon ein Netzwerk. Wir konnten zuletzt 100 Kinder in allen Schulstufen unterrichten und versorgen - Unterrichtssprache ist Nepali, die Lehrer sind in Montessori-Pädagogik geschulte Nepaler.

STANDARD: Wie groß ist die Zerstörung rund um eure Projekte?

Eberhardt: Die Bilder, die Tom auf unsere Facebookseite schickt - wenn er Verbindung hat -, zeigen das Ausmaß. Das Waisenhaus ist ziemlich zerstört, die Lehmziegelhäuser rundherum sind großteils Schutthaufen. In den Bergen sind die Dörfer, in sich komplette Organismen des Zusammenlebens, einfach vernichtet. Das Problem während der Beben war auch, dass die Menschen in ihre zerfallenden Häuser zurückgelaufen sind, um letzte Lebensmittelvorräte zu holen oder aus den Trümmern der ersten Beben auszugraben. Jetzt kommen die schweren Regenfälle des Monsuns. Das bedeutet sehr wahrscheinlich in dieser Situation: Seuchen. Und es ist leider auch so, dass in der Nacht schwere Plünderungen stattfinden.

STANDARD: Warum fliegen Sie nicht nach Nepal?

Eberhardt: Ich bin hier derzeit viel nützlicher, Tom ist ja vor Ort - ich habe auch nicht seine militärische Krisenausbildung. Ich sammle Geld, damit Überleben, Leben, möglich wird, dass Familien wieder miteinander sein können. Vor Ort arbeiten wir auch seit einiger Zeit mit der Medizinischen Fakultät der Uni zusammen, konnten Traumaarbeit im Spital integrieren. Dieses Team dort hat mit Spenden von null auf mittlerweile 1200 Mitarbeiter aufgebaut und eine Infrastruktur in vielen kleinen Satelliteneinrichtungen geschaffen. Das wird uns beim Aufbau sehr helfen - und dieses Modell der "Satelliten" ist auch unser Weg und Plan für Schulen und Waisenhäuser. (DER STANDARD, 2./3.5.2015)