Essen ist eine wunderbare Möglichkeit, der Welt etwas näher zu kommen und sie intensiver zu erleben als bloß in ihr zu sein und sie anzustarren. Landschaften können nicht nur erwandert, mit dem Fahrrad erfahren oder gemalt werden, man kann sie auch verspeisen. Derzeit heißt das: Löwenzahn auf den Teller.

Während der Gemüsegarten sich im frühen Frühling noch eher asketisch gibt, reibt einem die wilde Natur bereits ihre Üppigkeit unter die Nase. Die Gundelrebe wuchert, der wilde Hopfen rankt, die Vogelmiere schießt ins Kraut - und überall blüht der Löwenzahn.

Er wächst nicht nur wie Unkraut, er ist sogar eins, und ist auch für den ungeübten Amateur-Wildkräutersammler daher ganz ohne ausgedehnte Waldspaziergänge oder geheime Sammelplätze beschaffbar. Zudem kann jeder Volksschüler ihn mit ziemlicher Sicherheit erkennen und bestimmen, er hat nicht einmal einen entfernt giftigen Doppelgänger.

Foto: Tobias Müller

Der folgende Salat ist entstanden, als ich nichts anderes zu Hause hatte als einen Bund Radieschen. Ich habe also im Garten zusammen geklaubt, was ich auf die Schnelle gefunden habe: Löwenzahn, Gänseblümchen und die ersten Lavendelblätter. Dank glücklicher Fügung hat das ziemlich perfekt harmoniert und einen erstaunlich blumig-frischen Salat ergeben.

Die Radieschen geben Biss und Knickrigkeit, der Löwenzahn erfrischt mit seiner zart-scharfen Bitternote. Die Gänseblümchen schmecken zugegeben nicht nach viel, sehen aber umwerfend aus, und die Esser schreiben zunächst ihnen die wunderbare Blütennote zu, die in Wahrheit vom klein gehackten, fast unsichtbaren Lavendel stammt. Perfekt auffetten lässt sich das ganze mit etwas Schafstopfen. Wer auf Fleisch besteht: Lardo oder Prosciutto passt ganz hervorragend dazu. Und ja, auch Spargel harmoniert damit.

Radieschen, Löwenzahn, Gänseblümchen, junger Lavendel

Um die Bitterkeit des Löwenzahns ein wenig auszubalancieren, habe ich das Salatdressing leicht süß gehalten und einen Löffel Löwenzahnsirup (http://www.so-schmecken-wildpflanzen.at) untergemischt. Wem das zu viel Arbeit ist, der greift zu Honig.

Tag 1

Pflücken Sie an einem schönen sonnigen Tag so viele geöffnete Löwenzahnblüten, wie Sie finden können oder Ihnen Spaß macht - je mehr, desto besser. Ich weiß nicht, ob es Einbildung ist, aber mir kommt vor, dass meine Sirupe aus morgendlich gepflückten Blüten besser schmecken.

Foto: Tobias Müller

Packen Sie die Blüten ungewaschen möglichst umgehend in einen breiten Topf oder eine Pfanne, bedecken Sie sie mit kaltem Wasser und bringen Sie das ganze langsam zum Kochen. Drehen Sie die Hitze sofort herunter und lassen Sie die Löwenzahnblüten-Suppe mindestens auf die Hälfte eindampfen. Sie soll währenddessen kaum kochen, sondern bloß sehr heiß sein. Nehmen Sie den Topf vom Herd und lassen Sie die Blüten über Nacht ziehen.

Tag 2

Am nächsten Tag gießen Sie die Mischung durch ein Sieb und schmeißen die alten Blüten weg. Wiegen Sie Ihre Flüssigkeit und geben Sie die Hälfte des Gewichts in weißem Zucker dazu (Wenn Sie einen halben Liter Wasser haben nehmen Sie 250 Gramm Zucker). Bringen Sie die Mischung erneut zum Kochen und reduzieren Sie erneut bei niedriger Hitze - diesmal darf es ruhig ein wenig blubbern. Kochen Sie sie ein, bis sie eine sirupartige Konsistenz hat - man erkennt das schön am Blasenwurf, der sich plötzlich verändert. Achtung: Wer zu lange kocht, der bekommt verbranntes Löwenzahn-Karamell. Füllen Sie den Sirup in Gläser und lassen ihn auskühlen. Das Ergebnis sollte recht süß, honigartig und stark nach Löwenzahnblüten schmecken.

Foto: Tobias Müller

Pflücken Sie eine Handvoll Löwenzahn-Blätter – halten Sie sich dabei eher an die kleinen bis höchstens mittelgroßen – ein Dutzend ansehnlicher Gänseblümchen-Blüten und vier, fünf ganz junge Lavendel-Blatttriebe (das klingt nach wenig, die paar Blätter sind aber für das Endergebnis recht wichtig).

Foto: Tobias Müller

Legen Sie die Löwenzahnblätter für fünfzehn, zwanzig Minuten in eine Schüssel mit Wasser, um ihnen die ärgste Bitterkeit zu nehmen.

Wenn Sie sich nicht sicher sind, ob vielleicht ein Hund oder ein anderer Verschmutzer den Weg Ihrer Gänseblümchen gekreuzt hat, waschen Sie auch die Blüten.

Foto: Tobias Müller

Generell gilt zwar, dass Blüten durch Waschen ihr Aroma verlieren, da Gänseblümchen aber ohnehin nicht nach viel schmecken, hält sich der Verlust in Grenzen.

Foto: Tobias Müller

Mischen Sie nicht zu kräftiges Olivenöl und Apfelessig (3:1) mit einen kleinen Löffel Löwenzahn-Sirup.

Foto: Tobias Müller

Geben Sie noch ordentlich Salz und jede Menge frisch gemahlenenen Pfeffer dazu (schadet Radieschen nie), sowie die klein gehackten Lavendelblätter.

Hobeln Sie die Radieschen in dünne Scheiben, gießen Sie das Dressing drüber und mischen Sie mit den Händen die Löwenzahnblätter darunter. Verteilen Sie die Gänseblümchen-Blüten ansehnlich über dem Salat und servieren Sie ihn umgehend - ganz prächtig für sich oder als Beilage. (Tobias Müller, derStandard.at, 3.5.2015)

Foto: Tobias Müller