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Liebe alleinerziehende Mütter, lasst euch feiern!

Foto: Marianne Weiss, http://weissphotography.at

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Fotos aus der Kampagne "Tanz(en) gegen (die) Armut".

Foto: Marianne Weiss, http://weissphotography.at

Es gibt ihn seit 1914, den Muttertag. Seine Ursprünge liegen in der Frauenbewegung. Als Begründerin gilt Anna Marie Jarvis, die, nachdem der Muttertag in den westlichen Industriestaaten äußerst erfolgreich kommerzialisiert worden war, bis zu ihrem Lebensende darum kämpfte, ihn wieder abzuschaffen. Hitlers Instrumentalisierung für seinen Muttermythos ist ihr nicht erspart geblieben und das Dilemma bis heute aktuell.

Zum Muttertag gibt es viel zu kaufen, aber noch mehr zu sagen.

Zum Beispiel über die 154.000 alleinerziehenden Mütter, die derzeit in Österreich leben und mit ihren Kindern die zweithäufigste Familienform darstellen. 93 Prozent der Alleinerziehenden sind weiblich – Tendenz steigend. Sie bilden die erwerbstätige Bevölkerungsgruppe, die am stärksten von Armut betroffen ist. Und das, obwohl Alleinerziehende häufiger berufstätig sind und 40-Stunden-Jobs annehmen als Mütter in Partnerschaften. Dafür sind sie auch alleine für den Haushalt und die Kinder zuständig. Overworked and underpayed – da hilft kein Blumenstrauß.

Traditionelles Familienbild wird gefördert

Österreich liegt bei den Familientransfers im europäischen Spitzenfeld, das Budget lag im Jahr 2013 bei 9,3 Milliarden Euro (STANDARD, 10. April). Die Förderungen unterstützen jedoch das traditionelle Familienbild. Bei Alleinerziehenden ist da schnell Schluss mit lustig. Wegen der chronischen Burnout-Gefahr, gekoppelt mit geringer Kaufkraft, sind viele alleinerziehende Mütter nicht mehr fähig, ihren Wert in der Gesellschaft zu erkennen und ihre Rechte einzufordern in einem Land, in dem die Töchter in der Hymne gerne mal übergangen werden. Auch Alleinerziehende werden übergangen und nicht selten sogar Mobbingopfer ihrer unmittelbaren Umgebung.

Und dann gibt es da auch noch die Klischees. Alleinerziehende Mütter sind hässlich, frustriert und haben keinen Sex. So ein Blödsinn. Der Trost: Auch Feministinnen werden seit Jahrhunderten so betitelt. Ihr Vergehen? Das gewisse Etwas, das sie befähigt, über den Tellerrand zu schauen und mutig für eine bessere Zukunft zu kämpfen. Und das ist ein Gewinn für uns alle.

Alleinerziehende Väter kämpfen sich übrigens auch durch den Alltag. Trotzdem ist ihr Image positiv. Warum eigentlich?

Um eines klarzustellen: Dass man sich trennen kann, ist eine gesellschaftliche Errungenschaft. Die klaren Verhältnisse nach einer Trennung sind für Kinder und Jugendliche oft weniger belastend als der Alltag in einer zerrütteten Partnerschaft. Doch unsere Politik hinkt hinterher.

Vorbild Kindesunterhaltssicherung

In Schweden zum Beispiel ist es kein Armutsgrund, alleinerziehend zu sein. Wegen vernünftiger steuerlicher und sozialer Maßnahmen wie einer Kindesunterhaltssicherung.

In Österreich hat es sich noch nicht herumgesprochen, dass die 50er-Jahre vorbei sind. Das Resultat ist verheerend: Kinder und Jugendliche von Alleinerziehenden sind doppelt so oft von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffen wie andere Kinder. Einer der Hauptgründe, das wissen auch Nationalratsabgeordnete, die Frauen- und die Gesundheitsministerin, sind unzureichende oder fehlende Unterhaltszahlungen.

Eine Umfrage der Österreichischen Plattform für Alleinerziehende (ÖPA) ergab 2014: Gemessen an den Regelbedarfssätzen bekommen 54 Prozent (90.720 Kinder und Jugendliche) zu wenige und 18 Prozent (13.440 Kinder und Jugendliche) unter 27 Jahren gar keine Alimente beziehungsweise einen Unterhaltsvorschuss.

Recht auf Fürsorge und Unterstützung

In der UN-Kinderrechtskonvention, Artikel 25, Absatz 3 heißt es: "Mütter und Kinder haben Anspruch auf besondere Fürsorge und Unterstützung. Alle Kinder, eheliche wie uneheliche, genießen den gleichen sozialen Schutz."

Ist der Unterhaltsschuldner nicht fähig, Alimente zu zahlen, kann der sorgepflichtige Elternteil einen Unterhaltsvorschuss vom Staat beantragen. Der Vorschuss wird in der Höhe gewährt, die er sich vom Schuldner zurückholen kann (Regresszahlung). Wenn da wenig oder nichts zu holen ist, gibt es auch wenig oder nichts.

Mit dem Paragraf 19 Unterhaltsvorschussgesetz (UVG), dem Unterhaltsherabsetzungsantrag, hat der Unterhaltsschuldner jederzeit die Möglichkeit, den Unterhaltsvorschuss beliebig herabzusetzen. Zum Beispiel auf 30 Euro im Monat – auf unbestimmte Zeit. Denn bis das Gericht die Unterlagen des Unterhaltsschuldners überprüft hat, können Monate oder Jahre vergehen. Auch wenn der Antrag zum wiederholten Male gestellt wurde.

Der Paragraf 19 UVG – ein Staatsgeheimnis?

Es war mir in den letzten Jahren nicht möglich, die aktuelle Datenlage zum Paragraf 19 UVG zu eruieren. Nicht einmal Justizminister Wolfgang Brandstetter konnte Auskunft geben. Soll ich mich diesbezüglich etwa an die NSA wenden?

Aber ich kenne Mütter. Mütter, die wegen des Paragrafen 19 UVG großem Leid ausgesetzt sind. Mütter, die Tag und Nacht arbeiten und trotzdem kein Geld für neue Kinderschuhe haben oder für Schulsachen oder fürs Essen am Ende des Monats. Diese Mütter sind oft gut ausgebildet und beruflich erfolgreich – an ihnen kann es also definitiv nicht liegen.

Kindesunterhaltsgesetz modernisieren!

Nein, das Kindesunterhaltsgesetz muss modernisiert werden. Ich fordere:

  • die sofortige Abschaffung des Paragrafen 19 UVG,
  • die Umwandlung der derzeitigen Regressleistung in einen Sozialtransfer,
  • die Bemessung des Unterhaltsvorschusses am Kindeswohl (Regelbedarfssätze) und nicht an der Zahlungsfähigkeit des Schuldners und
  • die Einführung einer Kindesunterhaltssicherung.

Denn Kinderarmut ist teurer

Kinderarmut ist teuer. Für uns. Denn wir Steuerzahlerinnen und Steuerzahler tragen die Folgekosten. Warum? Arme Kinder, Buben und Mädchen, leiden unter einer schlechteren physischen und psychischen Gesundheit, verzögerter kognitiver und emotionaler Entwicklung, schlechteren schulischen Leistungen, sie rauchen häufiger und missbrauchen öfter illegale Drogen als Kinder und Jugendliche, die in finanziell abgesicherten Verhältnissen aufwachsen. Darunter leidet das ganze Familiensystem, also auch Großväter, Onkeln und Tanten. Teenagerschwangerschaften und das Abrutschen in die Kriminalität sind ebenfalls Privilegien der Schwächsten.

Das Gesundheits- und Justizwesen aber bezahlen wir. Als Erwachsene leiden die Betroffenen öfter an chronischen Krankheiten, Arbeitslosigkeit und dem Ausschluss von sozialer Teilhabe. Arbeitslosengelder und Frühpensionen sind also zusätzliche Kostenpunkte, die ein Symptom bekämpfen, statt das Übel an der Wurzel zu packen. Expertinnen wissen auch, dass sich Armut weitervererbt. Der einzige finanzielle Vorteil, den wir Steuerzahlerinnen und Steuerzahler aus der Kinderarmut ziehen können, ist, dass die Betroffenen früher sterben. Man verzeihe mir an dieser Stelle meinen Zynismus.

"Jeder Euro, der in die Bekämpfung der Kinderarmut investiert wird, kommt 20-fach zurück. Es gibt keine gesellschaftliche Gruppe, bei der soziale Investitionen einen höheren Nutzen haben als bei Armutsgefährdeten. Besonders trifft dies auf Kinder zu. Die Reduzierung von Kinderarmut ist möglich. Es liegt am politischen Willen", sagte die Armutsforscherin Gerda Holz 2010.

Die Vorteile des schwedischen Modells

Die Kindesunterhaltssicherung nach schwedischem Modell ist eine staatliche uneingeschränkte finanzielle Unterstützung für Kinder von Alleinerziehenden, die greift, wenn der Unterhaltsschuldner nicht genug Geld zahlen kann. Die Vorteile liegen auf der Hand:

  • Die Kinder- und Jugendarmut wird reduziert,
  • Konflikte zwischen Ex-Partnern werden deeskaliert, was sich positiv auf das Bindungsverhalten der nächsten Generationen auswirkt,
  • Väter, die nicht fähig sind, ausreichend Alimente zu zahlen, wissen, dass ihre Kinder trotzdem gut versorgt sind, und brechen wahrscheinlich weniger oft den Kontakt ab,
  • die teuren Folgekosten der Kinder- und Jugendarmut, die wir Steuerzahlerinnen und Steuerzahler tragen müssen (Gesundheit, Arbeitsmarkt, Justiz), können eingespart werden,
  • die Konjunktur wird angekurbelt, da mehr Geld im Umlauf ist,
  • Jugendliche werden weniger leicht radikalisiert, weil sie bessere Perspektiven haben, und
  • Österreich kann bei der Strategie 2020 Erfolge in den Bereichen Armutsbekämpfung und intelligentes beziehungsweise nachhaltiges Wachstum vorweisen.

Feiern, oh ja!

Liebe alleinerziehende Mütter, lasst euch feiern! Oh ja! Weil ihr Unbeschreibliches leistet. Weil ihr täglich an unserer Zukunft arbeitet. Weil ihr es wert seid. Und weil es euren Kindern gut geht, wenn es euch gut geht. Es ist unsere Aufgabe, euch dabei zu helfen.

Alles Gute zum Muttertag! (Maria Stern, 8.5.2015)