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Für die einen ist "Charlie Hebdo" eine Instanz der Meinungsfreiheit, für andere ein intolarentes Satireblatt, das die Versöhnung verhindert.

Foto: Reuters/Giallard

New York/Paris - Die Auszeichnung der Pariser Satire-Zeitschrift "Charlie Hebdo" mit dem PEN-Preis für Mut und Meinungsfreiheit ruft viele Kritiker auf den Plan. Ursprünglich hatten sechs Schriftsteller, darunter Michael Ondaatje, Teju Cole und Rachel Kushner, aus Protest gegen die Ehrung ihre Teilnahme an der Preisgala am 5. Mai abgesagt, berichtete die "New York Times". Mittlerweile haben sich 145 Autoren und PEN-Mitglieder dem Boykott der Verleihung des Preises an "Charlie Hebdo" angeschlossen.

Kein Beitrag zur Versöhnung

Rachel Kushner begründete ihre Ablehnung der Preisvergabe damit, dass "Charlie Hebdo" kulturelle Intoleranz und eine zwanghaft säkulare Sichtweise verbreiten würde. Peter Carey gab zu verstehen, dass er nicht damit einverstanden sei, dass die "kulturelle Arroganz der französischen Nation, die ihrer moralischen Verpflichtung für einen großen, diskriminierten Teil der Bevölkerung nicht nachkäme", auch noch belohnt werde.

Auch der Präsident des deutschen PEN-Zentrums und österreichische Schriftsteller Josef Haslinger distanziert sich von der Auszeichnung für "Charlie Hebdo". Die Zeitschrift überziehe religiöse Menschen mit Spott, dadurch fühlten sich viele beleidigt, sagte Haslinger am Mittwoch dem Deutschlandradio Kultur. "Das muss man nicht unbedingt mit einem Preis auszeichnen." Haslinger warf "Charlie Hebdo" ebenfalls vor, zur Verschärfung des Klimas zwischen den gesellschaftlichen Gruppen beizutragen - und nicht zur Versöhnung. Er wolle mit seiner Kritik der Freiheit der Kritik und Kunst keine Grenzen setzen, aber man müsse nicht alles mit einem Preis unterstützen. "Wir sind darauf angewiesen, dass wir zu einem gedeihlichen Zusammenleben der verschiedenen Kulturen und Religionen kommen", hob Haslinger hervor.

PEN-Präsident überrascht von Kontroverse

Die PEN-Zentrale zeigte sich überrascht vom Boykott. "Wir wussten alle, dass es eine in einiger Hinsicht kontroverse Entscheidung war", sagte PEN-Präsident Andrew Solomon. "Aber ich hätte nicht gedacht, dass das Thema diese speziellen Bedenken bei diesen Autoren auslösen könnte." Als Reaktion hat PEN nun ein eigenes Forum zum Austausch eingerichtet und eine Stellungnahme in der New York Times veröffentlicht, die die Entscheidung erläutern soll.

Der frühere PEN-Präsident und Bestseller-Autor Salman Rushdie kritisierte die Bedenken der Schriftsteller als "entsetzlich falsch". "Wenn PEN als Organisation der Meinungsfreiheit nicht die Menschen verteidigen und feiern kann, die dafür getötet worden sind, Bilder zu zeichnen, dann ist die Organisation ihren Namen nicht wert."

Robert McLiam Wilson, einer der wenigen englischsprachigen Autoren von "Charlie Hebdo", schaltete sich ebenfalls in die Debatte ein. Dass "Charlie Hebdo" nun plötzlich als rassistisches Blatt verunglimpft werde, hätte mit den schlechten Übersetzungen ins Englische zu tun. Glaubhaft urteilen über die Ausrichtung und den Inhalt der Zeitschrift könnten nur jene, die auch des Französischen mächtig seien, sagt er. "Sprechen die Schriftsteller, die Charlie nun in New York boykottieren, alle Französisch? Falls nicht, wie fundiert können ihre Meinungen dann überhaupt sein?", schreibt McLiam Wilson im "New Statesman". (tee/APA, 2.5.2015)