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Teile der Goldenberg-Bande vor Gericht.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Wien – Staatsanwalt Leopold Bien teilt das auf den Anklagebänken sitzende Dutzend in zwei Gruppen ein: "Die türkischstämmigen Einbrecher und die tschetschenisch-kaukasische Raubpartie". Die durchaus aktiv waren: 38 Seiten hat seine Anklageschrift, über die das Schöffengericht unter Vorsitz von Michaela Röggla-Weisz urteilen muss.

Viele Punkte betreffen in wechselnder Zusammensetzung begangene Handyraube, bei denen manchmal ziemlich brutal vorgegangen wurde. Am 28. Oktober forderte einer von ihnen im Stiegenhaus von seinem Opfer das Handy. Der gab es nicht heraus, sondern trat aus.

"Wer ist diese Pussy, dass er mir einen Tritt gibt", sagte der Täter laut einem Komplizen, eine Schlägerei begann. In deren Verlauf schlug ein Mittäter dem Opfer mit einem bei den Verkehrsbetrieben gestohlenen Nothammer auf den Kopf und fügte ihm blutende Wunden zu.

Halloween im Prater

Drei Tage später machte dieselbe Gruppe einen Halloween-Ausflug in den Prater. Man traf auf einen Clown, der bereits ziemlich illuminiert war. Plötzlich lief der Haupttäter auf diesen hin, sprühte ihm fünf Sekunden Pfefferspray ins Gesicht. Als das Opfer auf dem Boden lag, trat man noch auf ihn ein und raubte seine Tasche.

Nach der Heimfahrt nach Wien-Favoriten schlug man noch einmal zu: Ein Pärchen an einer Bushaltestelle wurde eingesprüht, der Frau die Handtasche entrissen. "Warum ist das passiert?", will Röggla-Weisz von einem der Täter wissen. "Na ja, halt weil es Nacht war und die betrunken", bekommt sie als vage Antwort.

"Das ist ja kein Grund, dass man gleich wen ausraubt!", stellt die Vorsitzende fest. "Sie waren ja auch schon einmal betrunken?" War der 16-Jährige noch nicht, sagt er, er trinke keinen Alkohol. "Das ist löblich, trotzdem kann man so was nicht machen."

Interessanterweise sind beide Opfer unbekannt: Sie haben die Attacken nicht angezeigt. Bekannt wurden sie nur, da die Jugendlichen sie freiwillig gestanden haben.

Zehn von zwölf sind arbeitslos

Es stimmt ziemlich nachdenklich, wenn man in die Runde schaut. Von den zwölf Angeklagten – der jüngste 16, der älteste 21 – sind zehn arbeitslos, mehrere haben nie eine Ausbildung beendet. Die Zahl der Vorstrafen liegt zwischen null und drei.

Man traf sich in Parks, in der Nacht kam man auf andere Ideen. Angeklagt sind rund 300 Einbrüche in Kraftfahrzeuge. Einige bestreiten diese Zahl, einer gibt sie zu. "Wir haben ein Jahr lang fast jeden Abend die Scheiben von einem Auto eingeschlagen", sagte er dem Senat.

Der Grund, warum beide Gruppen hier sitzen, ist der Streit um Beute. Die eine Gang war in das Haus der urlaubenden Mutter eines Bekannten eingebrochen und hat Schmuck, Computer und einen Autoschlüssel gestohlen.

Davon erfuhr die andere Bande. Da man sich kannte, verlangte man ein Treffen. "Wir haben gehört, dass ein paar Burschen eingebrochen sind", erläutert einer.

"Ihm Faust gegeben"

"Wir haben sie dann gefragt, was sie alles haben. Einer wollte nicht sagen, dass sie auch Autoschlüssel haben." Was er nicht goutierte: "Ich habe ihm Faust gegeben, war aber eh nur ein leichter Schlag", sagt er zu seiner Reaktion.

Röggla-Weisz will auch hier das Motiv wissen. Ob man sich geärgert habe, da die Diebesbeute von der Mutter eines Freundes stammte? "Wir haben uns schon über den Einbruch geärgert, aber wir wollten auch Spaß haben", bekommt sie zu hören.

Da man wusste, in welcher Garage das Auto geparkt war, hatte man den auch. Tagelang wurde der BMW im Freundeskreis herumgereicht. "Das Auto war ein Wanderpokal. Jeder konnte seine Fahrkünste ausprobieren – einmal mehr, einmal weniger erfolgreich", beschreibt es Staatsanwalt Bien.

Viele Bewerbungsschreiben

Die meisten Verteidigerinnen und Verteidiger bemühen sich, den guten Willen ihrer Mandanten mit Bewerbungsschreiben zu untermauern. Bei einigen wirkt das Bemühen durchaus glaubwürdig, sie nehmen beispielsweise auch regelmäßig Termine bei der Bewährungshilfe wahr.

Um andere muss man sich deutlich mehr Sorgen machen: Etwa jenen Burschen, der kurz in Untersuchungshaft saß und nach seiner Entlassung gleich wieder einen Raub begangen hat.

Rascher als erwartet kam dann am Montagabend das Urteil. Elf Burschen im Alter zwischen 16 und 21 Jahren wurden im Sinne der Anklage schuldig gesprochen und großteils zu Bewährungsstrafen verurteilt.

Die Härte des Gesetzes bekam allerdings ein 19-Jähriger zu spüren, der ungeachtet seines fast noch jugendlichen Alters bereits drei Vorstrafen wegen teils bewaffneten Raubüberfalls aufwies. Er fasste dreieinhalb Jahre unbedingt aus. Drei Angeklagte kassierten jeweils zwei Jahre, davon acht Monate unbedingt. Der Rest kam mit Bewährungsstrafen zwischen acht und 18 Monaten davon. Das Verfahren gegen einen zwölften Angeklagten wurde ausgeschieden und wird zu einem späteren Zeitpunkt separat weiterverhandelt. (Michael Möseneder, derStandard.at, 4.5.2015)