
Ein schrulliger Mann mit ausgewachsener Persönlichkeitsspaltung: Ryan Reynolds macht in "The Voices" blutigen Ernst aus seinen Fantasien - der kanadische Filmstar hat im Original übrigens auch die Stimmen der sprechenden Haustiere übernommen.
Wien - Jerry (Ryan Reynolds), Mitarbeiter einer kleinen Fabrik für Badezimmerausstattung, ist ein etwas schrulliger, aber pflichtbewusster Typ. Seine heimliche Liebe ist Fiona aus der Buchhaltung (Gemma Arterton). Die wiederum will nach einer geplatzten Heirat zurück in ihre Heimat England. Aber dazu kommt es nicht, denn bei einer nächtlichen Autofahrt zu zweit geschieht ein Unglück, in dessen Verlauf sich auch Jerrys andere Seite blutig offenbart. Plötzlich bekommt der Umstand, dass er daheim mit seinem Hund und seiner Katze plaudert, eine unheimliche Note.
Sprechblasenkompatibel
The Voices heißt der jüngste Kinofilm von Marjane Satrapi. Die aus dem Iran stammende Regisseurin wurde zunächst als Verfasserin des autobiografischen Comics Persepolis bekannt. Bei dessen Kinoadaption führte sie (gemeinsam mit Vincent Paronnaud) 2007 erstmals Regie. The Voices ist nach Huhn mit Pflaumen und La bande des Jotas nunmehr ihr dritter Realfilm als Regisseurin.
Dieses Mal soll es - gegenläufig zu ihren bisherigen Arbeiten - eine Art Kreuzung aus romantischer Komödie und Slasher-Horrorfilm sein. The Voices basiert auf einem Originaldrehbuch von Michael R. Perry, der für die US-Krimiserien Law & Order: Special Victims Unit oder NYPD Blue geschrieben hat. Die Dialoge sind extrem schmucklos und verknappt geraten - eigentlich sprechblasenkompatibel. Die Ausstattung ist dafür umso bunter und poppiger. Diese Wahrnehmung ist aber nur eine Version der Wirklichkeit, wie sich herausstellt.
Von wegen proper
Denn "die Stimmen" sind real, der junge Mann mit dem deutschen Migrationshintergrund und den Tics leidet an einer Persönlichkeitsstörung. Wo er ein helles, properes Heim mit Vintage-Mobiliar sieht (ein Blick, den wir zunächst ungebrochen mit ihm teilen), ist tatsächlich alles zugemüllt und verwahrlost, von blutigen Spuren übersät.
Die Idee, aus einem monströsen Charakter einen Helden zu machen, erinnert nicht zuletzt an die erfolgreiche TV-Serie Dexter. Allerdings fehlt Jerry der Auftrag und auch dem Film ein zwingender Grund. Manche Überzeichnung - oder auch Darsteller wie Reynolds, der sich hier einmal von einer neuen Seite zeigt, und die reizende Anna Kendrick - geben The Voices momentan einen Anflug von Charme. Aber das Schlachten und Zerlegen ist trotzdem unerträglich. (Isabella Reicher, DER STANDARD, 5.5.2015)