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Ein großes Trauerplakat mit einem Foto des ermordeten atheistischen Bloggers Avijit Roy bei Demonstrationen nach dessen Ermordung. Nun bekannt sich Al-Kaida auf dem indischen Subkontinent zur Tat.

Foto: AP / A.M. Ahad

Dhaka/Wien - Nach den "Lektionen" für Frankreich, Dänemark und Pakistan habe man auch in Bangladesch "Rache an Gotteslästerern" genommen: Glaubt man einem neuen Video, das am Wochenende vom Al-Kaida-Ableger für den indischen Subkontinent veröffentlicht wurde, steckt die Terrororganisation hinter einer Mordwelle an prominenten Atheisten im südasiatischen Staat.

Der Bezug zu Paris ist nicht zufällig: Unter den Morden soll sich auch jener Fall befinden, der von regionalen Medien als der Charlie-Hebdo -Anschlag Bangladeschs bezeichnet wurde: Ende Februar wurde der bekannte atheistische Blogger und Buchautor Avijit Roy am Rande einer Buchmesse in der Hauptstadt Dhaka von Männern mit Macheten angegriffen und erschlagen. Seine Ehefrau Rafida Ahmed Bonya, die ebenfalls angegriffen wurde, überlebte knapp.

Unterstützung für Massenproteste

Roy galt als profilierteste Stimme der wachsenden Gruppe religions- und regierungskritischer Blogger in Bangladesch. Als eine Literaten-Gruppe jüngst die Verleihung des PEN-Preises für Meinungsäußerung an Charlie Hebdo kritisierte, stand Roys Name auf der Liste der Ersatzkandidaten.

Der Bioingenieur hatte in den 2000er-Jahren Bücher publiziert, in der er religiöse Doktrinen von einem wissenschaftlichen Standpunkt kritisierte. Nach Drohungen führte er aus den USA die Seite mukto-mona.com (" Freidenker"). Ins Fadenkreuz könnte er aber vor allem wegen seines Engagements in der Shahbagh-Bewegung von 2013 geraten sein: Massenproteste, die eine gründliche Aufarbeitung der Menschenrechtsverbrechen durch islamistische paramilitärische Gruppen im Unabhängigkeitskrieg 1970-1971 fordern, denen bis zu drei Millionen Menschen zum Opfer fielen. Er unterstützte auch die von Menschenrechtlern heftig kritisierten Todesurteile für Anführer der bangladeschischen Islamisten.

Symbolisches Eingeständnis

Ob das Bekenntnis vom Wochenende wörtlich zu nehmen ist, ist umstritten. Denn Bangladeschs Behörden haben in den vergangenen Wochen mehrere Mitglieder anderer Gruppen für die Morde verhaftet. Denkbar ist auch, dass es als Warnung zu verstehen ist: Wer vermeintlich den Islam beleidigt, bekommt es auch in Bangladesch mit Al-Kaida zu tun; unabhängig davon, ob es sich - so wie bei Roy - um Atheisten handelt oder - so wie beim ebenfalls getöteten Mohammed Shakil Auj - um liberale islamische Geistliche.

Zupass kommt das Video aber auch Bangladeschs nominell säkularer Regierung. Sie führt seit Jahren zwei Kämpfe: Einen erbitterten gegen die rechte Oppositionspartei BNP, die mit Islamisten in einem Zweckbündnis steht. Und - vor diesem Hintergrund - zunehmend einen weiteren gegen allzu freie Meinungsäußerung. Das Land steht auf der Pressefreiheits-Liste von "Reporter ohne Grenzen" auf Rang 146 von 180. Spannungen bieten Gelegenheit, beide Kämpfe zu intensivieren. (Manuel Escher, DER STANDARD, 5.5.2015)