Die Silhouette eines Pegasus – eines geflügelten Pferdes – und seines Reiters ist in dem orangen Logo auf den blauen Trikots der Vienna Vanguards zu sehen. Schwarze, weiße, gelbe und grüne Stirnbänder zieren die Köpfe der Teammitglieder, die mit einem blauen Stock zwischen den Beinen über die Jesuitenwiese im Wiener Prater hirschen. Die Stirnbänder markieren ihre Position: Beater, Chaser, Keeper, Seeker.

"Bei unserer Spielweise, also der für Nichtmagier, fliegt der goldene Snitch natürlich nicht von selbst."

Die Vienna Vanguards sind Österreichs erstes Quidditch-Team. Eine Sportart, die erstmals 1997 aufkam. Im ersten Teil der sieben Bücher von Joanne K. Rowling schwingt sich der junge Zauberschüler Harry Potter auf seinen Besen und fliegt los. Weil er talentiert ist, schafft er es in eines der vier Quidditch-Teams seiner Schule Hogwarts. Für Gryffindor spielt er fortan auf der Position des Seekers – des Suchers. Potter ist dafür zuständig, den Snitch – einen kleinen goldenen Ball mit Flügeln – zu fangen und damit 150 Punkte für sein Team zu sammeln und das Spiel zu beenden.

Auf der Jesuitenwiese stehen vor allem Studierende der Universität Wien auf dem Feld. Auf der Rückseite von Christoph Gassners Shirt ist in orangen Buchstaben Gizmo geschrieben. Ein Spitzname, den er schon in seiner Schulzeit verpasst bekommen hat. "Bei unserer Spielweise, also der für Nichtmagier, fliegt der goldene Snitch natürlich nicht von selbst", sagt Captain Gassner.

Stattdessen ist ein gelber Tennisball in einer Socke versteckt. Weil Socke und Tennisball sich nicht selbst bewegen, wurde ein Snitch-Carrier eingeführt. Eine neutrale Person, die keinem Team angehört, goldene Shorts trägt und mit der Socke am Hosenbund davonläuft. Sind 18 Minuten der Spielzeit vergangen, kommt er ins Spiel. Beendet wird dieses, sobald ihm der Tennisball entrissen wird. Beim Spiel für Muggel – also Nichtzauberer – zählt der Fang nur 30 Punkte.

Ansturm von Potter-Fans

Gassner ist bei einem Auslandssemester auf den Geschmack des Quidditchspielens gekommen. "Ich war schon immer großer Harry-Potter-Fan", sagt der Pharmazie-Student. In Australien hat er zum ersten Mal eine Gruppe von Leuten kennengelernt, die Potters Lieblingssport ausüben: "Ich war kurz im Team von Sydney. Als ich nach Wien zurückgekommen bin, wollte ich das auch in Österreich lostreten."

"Nach den ersten Trainings wird der Besen immer weniger komisch."

Mit einer Freundin gründete Gassner eine Facebook-Gruppe "Muggel Quidditch Wien".Innerhalb weniger Stunden hatte sie bereits mehr als hundert Mitglieder. Daraus gründeten sich vergangenen Oktober die Vanguards – die Vorreiter. "Das sind wir für Österreich, die ersten, die den Sport gestartet haben und intensiv betreiben", sagt der 26-jährige Gassner. Beim europäischen Quidditch-Cup in Oxford Ende April belegten die Van guards immerhin Rang 26 von 32 und besiegten das deutsche Team.

"Nach den ersten Trainings wird der Besen immer weniger komisch", sagt Stephanie Rasch. Der "Besen", der aus Sicherheitsgründen ein blauer Plastikstab ist, würde schnell zum "Sportgerät". Ein Holzbesen könnte splittern und verletzen. Der Kindheitsheld Potter würde auch immer mehr in den Hintergrund geraten, was zähle, sei der Sport. "Natürlich sind die Bücher der Ausgang des Ganzen, aber der Besen stellt bei uns eben auch ein Handicap dar", sagt Rasch. Wenn sie etwa von ihrem Besen gestoßen wird, ist sie vorerst draußen und muss zurück hinter die eigenen Ringe laufen, die als Tore fungieren. Dort darf sie wieder aufsteigen.

Christoph "Gizmo" Gassner erzielt einen Treffer durch die Tor-Ringe für seine Mannschaft.

Als Chaserin der Vanguards ist Rasch fürs Punktemachen zuständig. Mit dem Quaffle, einem etwa fußballgroßen Ball, muss sie die gegnerische Verteidigung überwinden und durch einen der drei Ringe schießen, die vom Keeper bewacht werden.

In der Defensive hilft die 19-jährige Anglistikstudentin dem Tormann. "Da wird viel getackelt. Das macht großen Spaß", sagt sie grinsend. Von ihren Teamkollegen wird die kleine, flinke Frau "Rush" genannt. Ein Wortspiel mit ihrem Namen, der ihrer Spielweise gerecht wird.

Jedes Training der Vienna Vanguards beginnt mit Stretching und Aufwärmübungen. "Quidditch ist ein Vollkontaktsport, da kann einiges passieren", sagt Rasch. Abseits des Kreises gibt Anna Koivu Kommandos und stoppt die Zeit. Nach 15 Minuten werden Spielzüge geübt. Koivu ist finnische Erasmus-Studentin und Coach des Wiener Quidditch-Teams, sie ist seit dem ersten Training dabei.

"Quidditch ist ein Vollkontaktsport, da kann einiges passieren."

Eine Mappe mit den internationalen Quidditch-Regeln ist mit einer Collage aus Bildern der Harry-Potter-Filme verziert. "Ich war schon immer ein großer Fan", erzählt die Studentin der Internationalen Betriebswirtschaft: "Als Kind habe ich oft mit meiner Schwester Quidditch gespielt." Damals nur unprofessioneller. Im elterlichen Garten in Jyväskylä dienten Eimer als Tore.

Die Regelmappe hat Koivu immer dabei. Aktuell lernt sie für die Prüfung zur internationalen Quidditch-Schiedsrichterin.

Bedenken bei Nichtmagiern

Max "Lovetroy" Liebetreu und Lena Mandahus sind die Beater der Vanguards. Im literarischen Original sausen Harry Potter und seinen Teamkollegen sogenannte Bludger (Klatscher) um die Ohren. Die beiden Brüder und Freunde Potters, Fred und George Weasley, sind damit beschäftigt, mit Schlägern die heimtückischen Medizinbälle wegzuschlagen, ihre Teamkollegen zu beschützen und die Gegner vom Besen zu schießen. "Das wäre total gefährlich", sagt die 20-jährige Mandahus über das Fehlen der Schläger.

Max "Lovetroy" Liebetreu und Lena Mandahus, die Beater der Vanguards, beim Training.

In der Variante für Muggels schießen sie und ihr Kollege mit Volleybällen die Gegner ab. "Die Bludger in den Büchern fliegen, das tun unsere Bälle nicht, sie vom Boden zu schlagen würde nicht funktionieren", sagt Liebetreu. Der 23 Jahre alte Physikstudent besitzt als einziger Spieler einen richtigen Besen: Einen "Shadowchaser". Handverarbeitet aus Holz, "hübsch geformt" und offizielles Sportgerät in den USA: "Im Freundeskreis ist es in Ordnung, bei Fremden bekommt man teilweise bedenkliche Reaktionen", sagt er über Akzeptanz des Sports.

Eine Weasley als Vorbild

Der Neue in der Quidditch-Runde im Prater ist Simon Heher. Es ist sein drittes Training. Der "Riesen-Harry-Potter-Fan" will künftig als Chaser über das Spielfeld jagen. Sein Quidditch-Vorbild: Ginny Weasley. Sie spielte wie Potter in Hogwarts bei den Gryffindors – ebenfalls als Chaserin. Nach der Schule wurde die Hexe Quidditch-Profi im einzigen Frauenteam der Liga im Potter-Universum – den Holyhead Harpies: "Das ist beeindruckend", sagt Heher. (Oona Kroisleitner, Sarah Brugner, 7.5.2015)