Zurück zum Start: Die Wiener Ärztekammer hat endgültig den neuen Dienstvertrag für die Ärzte der Wiener Gemeindespitäler abgelehnt. Detail am Rande: Ihr Präsident Thomas Szekeres hat die Rahmenbedingungen mit Wiens Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) ausverhandelt, sein Vize Hermann Leitner nachverhandelt. Jetzt wollen sie die Gespräche neu aufrollen. Es ist wie ein Pokerspiel: Die Karten sind verteilt, das Gesetz im Landtag beschlossen. Haben sie zu hoch gepokert? Nein. Auch wenn es rechtlich kaum Spielraum gibt, der Trumpf der Ärztekammer ist die Wien-Wahl im Herbst.

Wehsely ist naturgemäß nicht erfreut. Immerhin ist sie den Ärzten doch entgegengekommen, obwohl sie es ausgeschlossen hatte. Jetzt noch einmal eine Abfuhr für einen Dienstvertrag zu bekommen, der am 1. Juli in Kraft treten soll, ist durchaus schmerzhaft. Denn wenn überdurchschnittliche Wartezeiten auf Operationstermine und Pläne für Privatspitäler die Titelseiten schmücken, kommt es auch beim Patienten an: Irgendwas stimmt nicht mit der Versorgung in Wien. Und Wehsely hat den geplanten Stellenabbau von etwa 380 Ärztinnen und Ärzten nie ganz entkräften können. Das verunsichert. Neue Verhandlungen abwehren kann sie in dieser Situation nicht mehr.

Doch Wien ist nur eines von neun Problemen. In den letzten Monaten wurde neunmal verhandelt, mit neun Ergebnissen - Unikliniken, für die der Bund zuständig ist, und Ordensspitäler nicht eingerechnet. Das Spitalswesen ist in Österreich Ländersache. Warum das so ist? War immer so. Ein Arzt bekommt in Wien für die gleiche Arbeit weniger Geld als in Wiener Neustadt. Fahrtzeit vom Wiener Hauptbahnhof: 32 Minuten. Auch innerhalb Wiens ist das kein langer Arbeitsweg. Das ist absurd. Dass ein Wettbewerb zwischen den Ländern entsteht, ist nichts anderes als ein Auswuchs des Föderalismus.

Sonderstellung hat das Wiener AKH. Als Uniklinik ist dafür der Bund zuständig, neuen Dienstvertrag für dessen Ärzte gibt es noch nicht. Der Streit findet hier auf einer anderen Ebene statt: zwischen Rektorat und Betriebsrat. Rektor Wolfgang Schütz lässt seinen Ärzten ausrichten, sie sollen die Protestebene verlassen. Doch die Ärzte sind frustriert; als ihr Chef sollte er dafür kämpfen, ein entsprechendes Arbeitsumfeld zu schaffen.

Die Stimmung ist aufgebracht. Warum? Das ist eine Frage der Wertschätzung. Die neue Arbeitszeitrichtlinie, die seit elf Jahren von der EU gefordert wird, war die Chance, den Arztberuf anzupassen. Mit Arbeitszeiten, die ein Privatleben ermöglichen, Rahmenbedingungen, damit sich die Mediziner auf ihre Aufgaben konzentrieren können, nicht Verwaltungsarbeit leisten müssen, und einer Entlohnung, die in Relation zur Ausbildung steht. Geblieben ist davon wenig.

Das AKH ist nicht nur das größte Spital Österreichs, es ist auch einer der wenigen Top-Forschungsstandorte des Landes. Viele haben das Opt-out, also freiwillig mehr zu arbeiten als erlaubt, unterschrieben. Egal ob aus freien Stücken oder nicht: Ihnen wurde ein Resultat versprochen, das diese längst überfälligen Halblösungen ausräumen sollte. Diese Lösung gibt es auch vier Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes nicht. Das ist mit Sicherheit keine Wertschätzung. Dass sie nun darüber abstimmen wollen, ob sie streiken, ist die logische Konsequenz. Der Grant ist groß - die Patienten sollen das nicht zu spüren bekommen. (Marie-Theres Egyed, 5.5.2015)