Wer hat die malaysische Boeing über dem Donbass-Gebiet auf dem Gewissen? Die Frage bewegt seit ihrem Abschuss im Juli 2014 die Gemüter in ganz Europa und wird je nach politischer Gesinnung unterschiedlich beantwortet. Während der Abschlussbericht aus den Niederlanden weiter auf sich warten lässt, ist nun eine neue These aus Moskau gestreut worden.

Der Abschuss wurde demnach von einer Buk-Rakete verursacht. Genauer gesagt, handelt es sich um eine noch aus sowjetischer Produktion stammende Buk-M1. "Die Identifikation des Raketentyps erfolgte aufgrund der Analyse des Charakters der Beschädigungen am Flugzeug und dem Äußeren der Munitionsteile, die aus dem Flugzeug geborgen wurden", heißt es in dem Bericht, der der kremlkritischen Zeitung "Nowaja Gaseta" zugespielt wurde.

Verschiedene Theorien

Bislang hatten sich nur die Ukraine auf eine Buk als Abschussrakete festgelegt, die entweder von den Rebellen oder gleich von einer russischen Luftabwehreinheit selbst bedient worden sein soll. Die russische Militärführung hingegen sprach zunächst von einem ukrainischen Kampfflugzeug als möglichem Täter, der damalige Oberbefehlshaber der Rebellentruppen im Donbass, FSB-Oberst Igor Strelkin-Girkin, wartete gar mit der These auf, das Flugzeug sei schon beim Start in Amsterdam mit Leichen vollgestopft worden.

Der Abschuss des Flugzeugs durch eine (ukrainische) Buk fungierte bislang in russischen Militärkreisen eher als Nebenvariante. Dem Bericht nach scheint sich Moskau nun allerdings darauf festzulegen.

Demnach ist der Sprengkörper links vor und etwas oberhalb des Cockpits in einem Abstand von drei bis fünf Metern vom Flugzeug explodiert. Zu dem Schluss kommen die Experten aufgrund der schweren Schäden auf der linken Flugzeugseite, speziell im Cockpit-Bereich.

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Beschädigungen an der linken Cockpitseite
Foto: AP/Dmitry Lovetsky

Beschossen worden sein soll das Flugzeug allerdings von rechts – also aus dem Süden, während es selbst in Richtung Osten unterwegs war. Zu diesem Schluss seien sie aufgrund der im Internet kursierenden Fotos von den Wrackteilen gekommen, erklärten die Moskauer Militärs.

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Foto: REUTERS/Antonio Bronic

Ein Quasi-Frontalbeschuss aus dem Gebiet rund um das von Separatisten gehaltene Snischnoje hätte hingegen nur im Frontbereich Schäden angerichtet, während das linke Triebwerk, der Flügel, der Stabilisator und der linke Teil der Schwanzflosse dann unbeschädigt geblieben wären, argumentieren sie.

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In diesem Hangar auf dem niederländischen Luftwaffenstützpunkt Gilze Rijen werden die Wrackteile untersucht
Foto: AP/Peter Dejong

Als wahrscheinlichster Standort des Luftabwehrsystems wird eine Stelle südlich der Ortschaft Saroschenskoje (nahe Schachtjorsk) genannt.

"Es ist notwendig zu erwähnen, dass eben im Gebiet Saroschenskoje nach Daten der Satellitenüberwachung der russischen Streitkräfte vom 17. Juli 2014 selbstfahrende Luftabwehrraketensysteme "Buk" der ukrainischen Streitkräfte stationiert waren", heißt es weiter.

Ukraine spricht von Fälschung

Der ukrainische Geheimdienst SBU reagierte umgehend und nannte die Satellitenbilder gefälscht. Auf den Bildern fehlten einerseits die Spuren der Buk, die diese im Feld hinterlassen haben müssten, zudem zeigten die Aufnahmen ein noch nicht abgeerntetes Feld, während es zum Zeitpunkt des Abschusses bereits abgeerntet worden sei. Das fragliche Territorium sei zu dieser Zeit zudem bereits ebenfalls unter Kontrolle der Separatisten gewesen, erklärte der Spionageabwehrchef des SBU Witali Naida.

Tatsächlich schlagen die Frontkarten in den Tagen vor und nach dem Abschuss das Gebiet den Rebellen zu. Erst am 23. Juli gibt es Meldungen über eine kurzzeitige Einnahme der wesentlich weiter südlich liegenden Ortschaft Blagodatnoje durch ukrainische Truppen. Allerdings wurden sie auch dort nach wenigen Stunden wieder vertrieben.

Ein Beweis für den Abschuss der Boeing durch ukrainische Militärs ist der russische "Geheimbericht" also nicht. Nur darüber scheinen sich jetzt beide Seiten einig zu sein: Tatwaffe war eine Buk. (André Ballin, 6.5.2015)