Dass die Marke "Wolfenstein" nach all den Jahren eine Renaissance erleben würde, hatten vor dem Erscheinen des Letztjahreshits "Wolfenstein: The New Order" nicht wenige Shooterfans bezweifelt. Zu oft wurde die Serie mit eher mäßigen Fortsetzungen befleckt. Dem schwedischen Studio Machine Games ist es dennoch gelungen, der Nazi-Dystopie mit klassischem Gameplay und einer Liebesgeschichte im Sci-Fi-Kostüm der 1960er-Jahre frisches Leben einzuhauchen. Und das immerhin so erfolgreich, dass Publisher Bethesda bereits 12 Monate nach der Veröffentlichung ganz ohne Vorbesteller-Gängelung à la Season-Pass grünes Licht für ein ausgewachsenes Prequel gab.

In "Wolfenstein: The New Blood" versucht man in den Stiefeln des Protagonisten B.J. Blazkowicz 1946 das Regime zu stürzen und den sich anbahnenden Sieg des dritten Reichs in einer Spezialoperation abzuwenden. Ein riskantes Unterfangen hinter den feindlichen Linien, das in seiner Pflichterfüllung zumindest spielerisch aufgeht.

BethesdaSoftworksDE
Screenshot: Wolfenstein: The Old Blood

Mit Pistolen gegen Maschinen

Mit zwei rund vierstündigen Kapiteln erwartet Spieler zunächst die Jagd auf den sadistischen Gefängnisleiter Rudi Jäger und danach ein Rendezvous mit den Monstern der Helga von Schnabbs. Eine inhaltliche Zweiteilung, die auch mit taktischer Abwechslung erfreut. Auf Jägers Fersen wird man mit Soldaten konfrontiert, die man wahlweise brachial mit dem gut bestückten Repertoire an Feuerwaffen in die Mangel nehmen oder still und leise aus dem Hinterhalt überwältigen kann.

Die Hinleitung zum strategischeren Vorgehen gelingt wie schon in "The New Order", in dem Offiziere als Verstärkung rufende Schlüsselfiguren zuerst ausgeschaltet werden sollten. Die Pistole mit Schalldämpfer fungiert hier als ideales und absurd präzises Werkzeug, während Kampfroboter Maschinengewehre und feuerkräftigere Geschütze erfordern. Wer es sich leichter machen möchte, spielt auf freischaltbare Upgrades hin und verbessert dadurch etwa seine Widerstandsfähigkeit.

Screenshot: Wolfenstein: The Old Blood
Screenshot: Wolfenstein: The Old Blood

Zombies vom Himmel

Auf der Reise durch die betonierte Dystopie amüsiert man sich über die Propagandamaterialien, die wie Karikaturen des Bösen von Wänden herabblicken und in verlassenen Dörfern und eiskalten Burgen die schöne Arierwelt vorgaukeln. Tagebucheinträge schildern weniger komische Ereignisse und zeitweise spürt man einen Anflug von Bedrückheit, doch "The Old Blood" kommt zwischen den Gefechten mit hunderten Schergen zu selten und mit fehlender Überzeugung zur Ruhe, um Geschichte wie Charaktere nachhaltig ins Gedächtnis zu brennen. Dass die Animationen mittlerweile recht hölzern wirken und Bethesda der hierzulande erhältlichen Fassung nur die schwächere deutsche Synchronisation beilegt, hilft dem Spektakel gewiss ebenso wenig.

Die Plakate und Fotos der beiden Oberbösewichte malen sie irrer und schräger, als sie dann in Aktion tatsächlich rüberkommen. Es ist nun eben doch eine Zusatzmission und keine alles erklärende Vorgeschichte. Trotzdem Schade, dass die unabwendbaren Zombies in Akt 2 gar so plötzlich vom Himmel fallen und erklärungsarm als tempobeschleunigendes Kanonenfutter hingenommen werden müssen.

Screenshot: Wolfenstein: The Old Blood
Screenshot: Wolfenstein: The Old Blood

Für Fans

Dadurch wandelt sich der Spielfluss noch einmal und zögert den Höhepunkt hinaus, in dem schließlich Blazkowicz gegen Untote und Nazis gleichzeitig kämpfen muss und es dabei zu seinem Vorteil nutzen kann, dass hier zumindest Zombies nicht rassistisch sind. Es hat schon etwas, zuerst hasserfüllte Schergen ins Jenseits zu befördern, um dann zusehen zu können, wie sie als blutrünstige Bestien zurückkehren und über die eigenen Kameraden herfallen. Immerhin so lange, bis sie einen selbst ins Visier genommen haben.

Für Fans des Hauptwerks ist "The Old Blood" solides Bonusmaterial zu einem fairen Preis. Der vielleicht erhoffte Pflichtprolog ist es jedoch nicht. (Zsolt Wilhelm, 9.5.2015)

"Wolfenstein: The New Blood" ist ab 18 Jahren für PC, PS4 und XBO erschienen. UVP: 19,99 Euro.

Dem Autor auf Twitter folgen: @ZsoltWilhelm