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Ein Lorbeerkranz kann zu Siegesräuschen führen, wirkt aber womöglich auch bei Kater.

Foto: REUTERS/Desmond Boylan

Exeter/Wien - Seit wann der Mensch Vergorenes konsumiert, liegt im Dunkel der Geschichte. In den ältesten bekannten Schriften der Menschheit jedenfalls geht es schon recht ausführlich um Alkoholkonsum. Im Gilgamesch-Epos etwa wird beschrieben, wie der Urmensch im Übergang von der Wildnis zur Zivilisation sieben Krüge Bier trinken muss, die ihn in Euphorie versetzen.

Nach sieben Krügen droht am nächsten Morgen der Kater: Kopfschmerzen, Übelkeit und Schwindel. Die moderne Medizin hat bislang noch kein Patentrezept entwickelt. Manche schwören auf ein Katerfrühstück, andere auf das Reparaturseidl oder ein Aspirin. Im alten Ägypten hatte man offensichtlich einen anderen Ansatz, den britische Historiker kürzlich entdeckten: Sie fanden nämlich in einer über 1900 Jahre alten Papyrusrolle Rezepte gegen Alkoholintoxikation sowie gegen diverse andere Leiden.

Manuskript von Müllhalde

Die auf Altgriechisch abgefasste Schrift war Teil der sogenannten "Oxyrhynchus Papyri", die 1890 von Archäologen auf einer antiken Müllhalde nahe dem historischen Ort Oxyrhynchus gefunden wurden. Das Konvolut besteht aus 500.000 Manuskripten, die vor allem auf Lateinisch und Altgriechisch abgefasst wurden und deren Übersetzung immer noch nicht abgeschlossen ist. Die nun übersetzten Texte beinhalten unter anderem konkrete Handlungsanweisungen gegen Kater aber auch noch andere Leiden.

Auf dem Papyrusfragment zum Thema Kater ist zu lesen: "Für trunkenheitsbedingte Kopfschmerzen: Trage zusammengebundene Blätter der alexandrinischen Chamaedaphne." Dabei handelt es sich um Lorbeerblätter, die man sich vermutlich um den Nacken flocht. "Der Pflanzenname bedeutet wörtlich Lorbeer, und die Blätter werden in antiker botanischer Literatur oft mit Lorbeerblättern verglichen", erklärt der Histori- ker David Leith von der Universität Exeter, der die Manuskripte übersetzte. "Heute wird die Gattung Chamaedaphne auch als Torfgränke oder Zwerglorbeer bezeichnet."

Im alten Ägypten trank man reichlich Wein und Bier, ein dicker Schädel dürfte damaligen Zeitgenossen vertraut gewesen sein. Ob die Kur half, ist nicht bekannt. Man weiß aber, dass indigene Völker in Kambodscha Lorbeerblätter gegen Kopfweh und Übelkeit inhalieren. Vielleicht umströmte die verkaterten Menschen im alten Ägypten ein ähnlich heilsamer Duft.

Zwischen Magie und Medizin

"Die Rezepte liegen an der Grenze zwischen Medizin und Magie", erklärt Leith. "Obwohl die Ärzte der damaligen Zeit nicht gern von magischen Heilmitteln Gebrauch machten, war dies nicht selten." Laut Leith würden die überlieferten medizinischen Quellen belegen, dass die Lorbeerblätter als effektiv gegen Kopfschmerzen betrachtet wurden, wenn man sie in einem Pflaster auf den Kopf legte. "Ich vermute aber eher, dass man sie direkt auf dem Kopf als Kranz trug und nicht um den Nacken band. Das Verb auf dem Papyrus kann als 'einen Kranz flechten' verstanden werden."

Die neu übersetzten Texte enthalten auch Mittel gegen andere Leiden wie Geschwüre, Hämorrhoiden, Zahnschmerzen und Wundbrand. Ein Rezept gegen Schleim im Auge empfiehlt eine Mixtur aus Kupfer, Bleiweiß, Antimonoxid, Stärke, Regenwasser, Arabischem Gummi, Mohnblume, getrockneten Rosen und keltischem Nardenöl.

Ob es eine gute Idee ist, sich Metallstoffe ins Auge zu reiben, sei dahingestellt, jedenfalls zeugen die Dokumente vom Kenntnisstand der damaligen Heilkunde. Die Papyrusfragmente sind sehr detailliert, dokumentieren Herkunft und Zusammensetzung der einzelnen Ingredienzien. Die Bandbreite der Quellen reichte von Lehrbüchern für Studenten bis hin zu Kommentierungen im Schrifttum und Arztberichten.

Unter den Manuskripten befanden sich auch elf Kopien bekannter medizinischer Texte von Galen, dem Leibarzt von Marc Aurelius, und Hippokrates, auf den Ärzte bis heute ihren Eid schwören. Das Wissen wurde von den Gelehrten verfeinert und weitergetragen. Einige der Papyri seien von Ärzten für eigene Zwecke kopiert oder erworben worden, andere auch von ganz normalen Bürgern, um ihre Familien zu behandeln.

"Wir wissen auch, dass Priester in manchen ägyptischen Tempeln auf Griechisch verfasste medizinische Texte aufbewahrten, wahrscheinlich weil die Leute darin nachsahen, wenn sie sich krank fühlten", sagt David Leith.

Durch das Zusammen- und Übersetzen der Papyrusfragmente fügt sich Stück für Stück ein Bild der damaligen Zeit. "Eines der wichtigsten Dinge der Papyri ist, dass sie uns Einblick in die tägliche Erfahrung mit Krankheiten und Therapien in der Antike geben", so der Historiker. Unser Bild von antiker Medizin werde "mit den größten und erfolgreichsten Ärzten wie Galen assoziiert".

Es sei aber wichtig, die verschiedenen Arten von Heilpraxis zu berücksichtigen, die allen gesellschaftlichen Schichten offenstanden, betont Leith. Im alten Ägypten gab es gegen diverse Beschwerden ein Hausmittel - nicht zuletzt gegen die Nachwirkungen des Alkohols. Vielleicht sollten wir es beim nächsten Kater mit einem Lorbeerkranz versuchen. (Adrian Lobe, 9.5.2015)