Der Dudel ist aus dem Sack: Die britische Band Mumford & Sons löst sich auf ihrem dritten Album vom Folkrock. Kein Banjo mehr, aus die Quetsche, Schluss mit der Mandoline.

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Wien - Vorurteile sind gemütlich. Es braucht nicht viel, um sie zu bestätigen. Und kaum langt so eine Bestätigung ein, kann man sich gemütlich zur Seite drehen, schauen, was auf der anderen Seite abzustinken ist. Irgendwas gibt's immer, Galle sowieso. Die britische Band Mumford & Sons genießt, das behaupten wir ohne Risiko, gleich viel Zuspruch wie Ablehnung. Vor sechs Jahren tauchten sie aus dem Nichts auf.

Benannt wie ein altes Familienunternehmen - Fleischhauer, Kohlentransport ... - spielten sie Folkrock mit Stehbass, Quetsche, Mandoline und Banjo. Eine Mischung aus Rausch und Sehnsucht, jugendlichem Drama und Seufzern, Schweiß und Scheiß. Musikalisch dicht und dick übereinandergeschichtet. Eine Sättigungsbeilage als Musik. Dazu kleideten sich die vier jungen Männer das ganze Jahr wie im Fasching.

In Klamotten, wie sie in schmalen Londoner Gassen um die Jahrhundertwende getragen wurden, um die vorletzte Jahrhundertwende. Das war schon bei den goldenen Dexys Midnight Runners und ihren verkehrt angezogenen Latzhosen samt Ballonmützen nicht auszuhalten, dabei waren die wirklich gut.

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Mumford & Sons, die nun ihr drittes Album veröffentlicht haben, sind mit ihrer Musik mindestens so erfolgreich wie Dexys Midnight Runners in den frühen 1980ern. Die Mumfords sahen aus wie von der Gasse und spielten Gassenhauer wie Sigh No More, das Titellied ihres Debüts. 2012 erschien Babel, bei dem man zweimal hinschauen musste, um zu bemerken, dass das ein anderes Cover ist als jenes, das Sigh No More ummantelte. Musikalisch blieb man in den Erfolgsschablonen. Never change a winning Arschgeigerei.

Spätestens hier würgten jene, denen schon das erste Album zu manieriert war. Der anhaltende Triumph multiplizierte die Ablehnung wie den Zuspruch inklusive Grammy-Gütesiegel. Es wäre also ein Leichtes gewesen, noch ein drittes Album im selben Geiste hochzukochen, aber nicht.

Mumford & Sons haben abgeschworen. Kein Gedudel mehr. Keine Gezirpe, kein Banjo, keine Mandoline, keines dieser Instrumente, die gerne als ehrlich beschimpft werden. Stattdessen haben sich die vier ausgenüchtert. Nach einem Sechsjahresrausch, der ihnen Geld und Berühmtheit gebracht, aber Freundschaften gekostet hat, ging man mit Ende 20 in sich. Bevor es richtig teuer wird, so mit Couchliegen und von Träumen und Mutter erzählen.

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Schließlich mieteten die Söhne Mumfords wieder ein Studio und nahmen ein neues Album auf: Wilder Mind. Dafür vertrauten sie sich James Ford und Aaron Dessner (von der Band The National) als Produzenten an. Ford hat Beth Ditto oder die Arctic Monkeys produziert und gemeinsam mit Dessner und der Band einen Richtungswechsel vollzogen, einen zarten. Mumford & Sons sind nun eine ganz normale Band. Dabei spielen sie wie immer - bloß anders instrumentiert. Das Weglassen des scheppernden Folkgeschirrs beschert ihnen ein neues Soundkostüm, das ihnen gut ansteht.

Von The National tanken sie Atmosphäre, und manche Rhythmen fielen auf einem elektronischen Album nicht weiter auf. Doch der Apfel fällt nicht weit vom Pferd. Denn selbst wenn Marcus Mumford, Winston Marshall, Ben Lovett und Ted Dwane nun urbaner und moderner klingen, immerhin lebt man teilweise in New York, spätestens zur Hälfte jedes Songs gehen den Kohlentransportern doch wieder die Gäule durch.

Der Synthie brummt

Dann werden wieder Instrumentenspuren über Instrumentenspuren gelegt, die Geschwindigkeit erhöht, die Stimme schraubt sich flehend nach oben, die Arme öffnen sich, um die Massen zu umarmen. Wenn einen die eine, die Angebetete, schon nicht lässt, dann muss es mindestens die Welt sein, die davon erfährt. Schablone bleibt Schablone, selbst wenn sie anders befüllt ist. Pathosrock nennt man das. Der geht rein, aber er erschöpft sich schnell. Trotz aller Raffinesse und klanglichen Detailarbeit, die das Album auszeichnet. Statt des Akkordeons brummt öfter ein Synthesizer, statt Banjogedudel lässt man der Musik Platz zum Atmen, dann kommt ein Klavier und stimmt nachdenklich. Oje. Das kennt man. Da schleicht schon das nächste Vorurteil um die Ecke. Der Vergleich mit den tranigen Coldplay. Aber so schlimm kommt es auf Wilder Mind dann doch nicht. (Karl Fluch, 12.5.2015)