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Flüchtlinge vor der griechischen Insel Kos geben ein Notsignal ab – die EU will im Mittelmeer bald militärisch vorgehen.

Foto: EPA / Yannis Kolesidis

"Identifiziert, aufgebracht und zerstört" - hinter dieser so simplen und von der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini vorgetragenen Formel steckt das doch recht komplizierte Vorhaben der EU, im Mittelmeer militärisch gegen Schlepperboote vorzugehen. Um eine der zahlreichen Hürden zu bewältigen - die völkerrechtliche Legitimation - sprach Mogherini am Montag in New York vor dem UN-Sicherheitsrat, um für ein entsprechendes UN-Mandat zu werben.

"Unsere oberste Priorität ist es, Leben zu retten und weitere Verluste von Leben auf dem Meer zu verhindern", sagte Mogherini in New York. Ob sie tatsächlich die Zustimmung des obersten Organs der Vereinten Nationen erhält, ist fraglich - bereits im Vorfeld stieß der von der EU bei einem Sondergipfel am 23. April beschlossene Plan bei vielen auf Ablehnung.

Zu den vielen gehört neben UN-Vetomacht Russland auch Amnesty International. In einem am Montag veröffentlichten Bericht machte die NGO auf die schwierige Lage der Flüchtlinge in Libyen aufmerksam, die "regelmäßig ausgeraubt, gefoltert, entführt und sexuell missbraucht" würden. "Wenn die EU ihre Pläne umsetzt, sitzen die Flüchtlinge vollends in der Falle", sagte die Generalsekretärin von Amnesty in Deutschland, Selmin Çaliskan.

Appell von Amnesty

Stattdessen forderte Amnesty, eine gemeinsame Seenotrettung im Mittelmeer einzurichten, deren Einsatzgebiet bis vor die libysche Küste reicht. Zudem müssten mehr Aufnahmeplätze für Flüchtlinge in der EU geschaffen werden. Aber auch von den libyschen Nachbarländern Tunesien und Ägypten wird gefordert, die Grenzen für Flüchtlinge offen zu halten.

Trotz der Kritik gehen die Vorbereitungen für einen EU-Militäreinsatz weiter. Die Verteidigungsminister von Deutschland und anderen europäischen Ländern haben am Wochenende bei einem Treffen in Frankreich beschlossen, Geheimdienstdaten auszutauschen, um sich beim geplanten Vorgehen gegen Schlepper besser zu koordinieren.

Weiteres Rettungsschiff

Jenseits dieser politischen Debatten hat die NGO Ärzte ohne Grenzen ihren Such- und Rettungseinsatz im Mittelmeer erweitert. Ein weiteres Schiff, die Bourbon Argos, ist mit einer 26-köpfigen Crew seit dem Wochenende im Einsatz. Bereits seit zweitem Mai unterwegs ist das Schiff MY Phoenix, das Ärzte ohne Grenzen mit der Initiative Moas (Migrant Offshore Aid Station) betreibt. Die MY Phoenix hat laut eigenen Angaben in den vergangenen sechs Tagen selbst 591 Menschen gerettet und war an der Rettung von weiteren 101 Personen beteiligt.

Auch in Österreich waren Hilfsorganisationen aktiv - wenn auch auf andere Art und Weise. NGOs wie Caritas, Volkshilfe, Rotes Kreuz oder Diakonie statteten Regierungsvertretern einen Besuch ab, um gegen einen Militäreinsatz und für legale Zuwanderungswege in die EU zu protestieren. "Wer unterscheidet Fischerboote und Flüchtlingsboote? Die Konsequenzen werden sein: noch kleinere Boote und eine noch größere Zahl von Toten", sagte Caritas-Präsident Michael Landau.

Brüssel will Aufpasser nach Italien schicken

Unterdessen braut sich innerhalb der EU Ungemach in Sachen Flüchtlingsströme zusammen. Laut einem Bericht der italienischen Corriere della Sera plant die EU-Kommission, Italien unter Aufsicht zu stellen. In Zukunft sollen Aufpasser aus Brüssel kontrollieren, ob den ankommenden Flüchtlingen in Italien tatsächlich die Fingerabdrücke abgenommen werden. Dies schreibt die Dublin-III-Verordnung vor, um feststellen zu können, in welchem EU-Mitgliedsstaat Asylsuchende erstmals europäischen Boden betreten haben - dieses ist dann auch für das Asylverfahren zuständig.

Was die Regierung in Rom von dieser Bevormundung hält, ist nicht überliefert. Bekannt ist dafür, was Großbritannien von dem Plan hält, Flüchtlinge nach festen Quoten auf die EU-Mitgliedsländer zu verteilen - Details dazu präsentiert die EU-Kommission am Mittwoch. "Wir halten ein verpflichtendes System für die Umsiedlung nicht für die richtige Antwort", sagte ein Sprecher des Innenministeriums am Montag in London. "Wir werden jegliche Vorschläge der EU-Kommission, nichtfreiwillige Quoten einzuführen, ablehnen." Stattdessen wolle sich London darauf konzentrieren, Schlepper zu bekämpfen. (ksh, 11.5.2015)