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Über 100 Fahrten hat Emily Guendelsberger als UberX-Teilnehmerin absolviert.

Foto: Reuters

Der Transportdienstleister Uber ist schwer umstritten. Vielerorts sehen Politik und Behörden den Service als gesetzeswidrig an, weigert sich das Unternehmen doch oft, sich den Regularien der Taxibranche zu unterwerfen. Nichtsdestotrotz läuft das Geschäft, das sowohl von zufriedenen Kundenmeldungen, als auch Horrorgeschichten begleitet wird.

Wenig ist jedoch über den Alltag der Fahrer bekannt. Auch über den Anwerbeprozess und den tatsächlichen Verdienst gibt es nur wenige Informationen. Daher hat sich die Journalistin Emily Guendelsberger vom Philadelphia Citypaper in ihrer Heimatstadt als Undercover-Fahrerin selbst in den Dienst des Unternehmens gestellt.

UberX

Im vergangenem Oktober hat Uber das "UberX"-Programm in der Metropole im Osten der Vereinigten Staaten gestartet. Dieses ermöglicht es Fahrern ohne kommerzieller Lizenz, mit ihrem eigenen Auto bezahlte Personentransporte durchzuführen. Ein Schritt, der bei Regulierern und örtlichen Taxibetreibern für weitere Aufregung gesorgt hat. Mehr als 100 Fahrten hat Guendelsberger damit für Uber absolviert.

Voraussetzung für die Arbeit als Uber-Fahrerin war eine Bewerbung. Da die Reporterin schon zuvor kritische Artikel zum Unternehmen verfasst hatte und bei der Registrierung wahrheitsgemäße Angaben über ihre Identität machte, rechnete sie eigentlich mit einer Ablehnung. Verlangt wurden ihr Autokennzeichen, ihre Bankverbindung sowie ihre Sozialversicherungsnummer für einen Backgroundcheck. Einige Wochen nach ihrer Bewerbung im Januar wurde ihr per SMS die Aufnahme zu UberX bestätigt.

Michael Colman

Einschulung per Video

Die "Einschulung" bestand aus einem 13-minütigen Video. In diesem werden knapp die Bedienung der App und das Bewertungssystem erklärt. Fahrer und Passagier können sich nach Ende einer Fahrt gegenseitig auf einer Skala von einem bis fünf Sterne bewerten. Für Fahrer ist dies besonders wichtig, denn wer langfristig einen hohen Score hält, erarbeitet sich die Aufnahme ins lukrativere UberVIP-Programm. Wer hingegen durch schlechtes Feedback auffällt, kann auch ausgeschlossen werden.

Während dies Anreize schaffen soll, Passagieren kleine "Extras" – vom Türe aufhalten über eine Flasche Wasser auf der Rückbank bis zur Möglichkeit, sein Handy aufzuladen – zu bieten, schweigt sich der Film jedoch darüber aus, ab welcher Bewertung einem Fahrer der Ausschluss droht. Ebenso wird betont, dass die "Erfüllungsrate" – also der Anteil an angenommenen Fahrten gemessen an allen vermittelten Fahrgästen – für die Kundenzufriedenheit sehr wichtig sei, jedoch ohne genauer darüber zu informieren, wie oft man Fahrtgesuche ablehnen dürfe oder auf einen verspäteten Passagier warten solle.

Wütende "Uberpeople"

Die Kommunikation zwischen Fahrern und Uber ist mühsam. Für Probleme gibt es keine Hotline. Wer etwa Schwierigkeiten mit der App hat, kann sich nur per E-Mail an das Unternehmen wenden. Ein Ärgernis, über das sich andere Fahrer auch online auslassen. Das Forum Uberpeople.net wird von Guendelsberger als Ort "bebenden Zorns" umschrieben.

Geschrieben wird nicht nur über den Support durch Uber, sondern auch über problematische Fahrgäste, die Angst vor ungerechtfertigt schlechten Bewertungen und Senkungen der Fahrpreise. In einigen Fällen versuchen Leute sogar, sich über die Plattform gewerkschaftlich zu organisieren.

Demografie

Die Mitglieder von Uberpeople scheinen allerdings einer anderen demografischen Schicht anzugehören als der Großteil der Fahrer. Als Guendelsberger noch Einzelgespräche mit UberX-Teilnehmern zu machen, waren von rund 20 zufällig angeforderten Fahrern bis auf einen alle Männer mit Migrationshintergrund – vorwiegend afrikanisch, südasiatisch oder dem Mittleren Osten – und stark akzentuiertem Englisch.

Viele von ihnen arbeiteten zur Unterstützung von Familienmitgliedern und hatten daneben noch einen weiteren Job. Die Citypaper-Mitarbeiterin erinnert sich auch an einige Fahrgäste, die sich über ihren Dienst freuten und sich beklagten, häufig von Fahrern mit schlechten Sprachkenntnissen befördert zu werden.

Bezahlung

Das Umgehen der Regularien der Taxibranche ermöglicht Uber es, Fahrtdienste deutlich billiger anzubieten. Ein Teil der Verantwortung, etwa die regelmäßige Überprüfung der Autos, wird dabei allerdings auf die Fahrer abgewälzt. Reguläre Taxis, so betonen die Verbände regelmäßig, böten mehr Sicherheit.

Auf Anfragen zum tatsächlichen Verdienst der Fahrer gab Uber bislang nur eine Zahl heraus. 90.000 Dollar im Jahr sollen durchaus erzielbar sein. Ein Mythos, der schnell widerlegt war, aber sich offenbar unter Passagieren gehalten habe. An vielen Standorten hat Uber mit der Zeit das Entgelt für die Fahrtzeit gesenkt. Die Strategie ist offenbar, die Städte mit einem dichten Netz an Fahrern zu fluten. Diesen wurde wiederum versprochen, durch erhöhtes Fahrgastaufkommen trotzdem mehr zu verdienen.

Haken

Dabei gibt es jedoch eine Reihe von Haken. Der Verdienst von Uber setzt sich aus einem Fixsatz von einem Dollar sowie einem Anteil am restlichen Ertrag – im konkreten Fall: 20 Prozent – zusammen. Daraus ergibt sich, dass eine lange Fahrt lukrativer ist, als mehrere kurze. Die Expansionsstrategie zielt jedoch scheinbar darauf ab, die Kunden dazu zu bewegen, auch für kleinere Distanzen auf Uber zu setzen. Hinzu kommt, dass der ausbezahlte Zeitsatz je nach Einsatzgebiet mitunter stark schwankt.

Das Bewertungssystem gestaltet sich für den Fahrer, der laut Empfehlungen vom Uberpeople-Forum zumindest 90 Prozent aller Fahrtanfragen annehmen sollte, unvorteilhaft. Ersichtlich ist nur sein durchschnittlicher Gesamtscore, individuelle Bewertungen kann er nicht einsehen, außer etwas wirklich Schwerwiegendes ist vorgefallen. Extras für den Fahrgast werden aus eigener Tasche bereit gestellt und schlagen sich dementsprechend auf den Profit nieder.

9,34 Dollar Stundenlohn vor Steuern

Nach 100 Fahrten wertete Guendelsberger ihre Einnahmen aus. Laut Uber hatte sie pro Stunde im Schnitt 17 Dollar eingenommen. Zieht man davon den sich auf insgesamt 28 Prozent belaufenden Anteil für Uber und ihre eigenen Kosten, wie etwa Treibstoff, ab, bleiben letztlich 9,34 Dollar (derzeit rund 8,3 Euro) vor Steuern übrig.

"UberX ist nicht der am schlechtesten bezahlte Job, den ich je gemacht habe", resümiert die Journalistin sarkastisch. "Mit 15 habe ich als Eisverkäuferin weniger verdient, wenn ich die Inflation nicht einberechne."

Würde sie zehn Stunden pro Tag und sechs Tage die Woche fahren, könnte sie auf diesem Weg bei einer Woche Urlaub im Jahr 30.000 Dollar vor Steuern verdienen. Problematisch wird die Rechnung spätestens dann, wenn man versucht, damit auf die von Uber verheißene Zahl von 90.000 Dollar zu kommen. Dann müsste man 365 Tage im Jahr fahren – wenn der Tag 27 Stunden hätte. (gpi, 12.05.2015)