Der Landnutzungswandel ist die größte Bedrohung für die Artenvielfalt in Fließgewässern, wie nun internationale Forscher nachweisen konnten.

Foto: Senckenberg

Frankfurt – Der globale Klimawandel hat einen enormen Einfluss auf die Artenvielfalt einer Region oder eines Lebensraums, das haben die Forschungen der letzten Jahre ergeben. Im Vergleich zu den Auswirkungen des Landnutzungswandels sind sie aber immer noch gering: Internationale Wissenschafter haben nun am Beispiel von Fließgewässern nachgewiesen, dass der Verlust der Biodiversität deutlich stärker durch die Veränderungen der Landnutzung verursacht wird. Schutzkonzepte für das wertvolle Ökosystem und die in strömenden Gewässern lebenden Organismen sollten daher angepasst werden, raten die Forscher.

Flüsse und Bäche sind von der Quelle bis zur Mündung ständig in Bewegung und gehören zu den dynamischsten Lebensräumen der Erde. Obwohl sie nur wenige Prozent der Landfläche einnehmen, beherbergen diese Ökosysteme im naturnahen Zustand eine große Vielzahl an Lebewesen: Insekte, Fische, Algen, Muscheln und Wasserflöhe sind nur einige der Bewohner fließender Gewässer. "Doch Fließgewässer sind auch gleichzeitig die gefährdetsten Ökosysteme weltweit, weil sie besonders sensibel auf Umweltveränderungen reagieren", warnt Mathias Kuemmerlen vom Forschungsinstitut Senckenberg in Gelnhausen.

Drei Szenarien

Der Biologe hat gemeinsam mit chinesischen und deutschen Kollegen die Fließgewässer eines gut 1.700 Quadratkilometer großen Einzugsgebietes in Südchina, das im Einzugsgebiet des Jangtsekiang-Flusses liegt, untersucht und dabei erstmals die Artenvielfalt in Fließgewässern in Verbindung mit dem Wandel der Landnutzung für die Zukunft modelliert. Das Wissenschafterteam hat drei Szenarien für die Entwicklung von in Fließgewässern lebenden Makroinvertebraten – Tiere ohne Wirbelsäule, die man mit bloßem Auge erkennen kann – für die Jahre 2021 bis 2050 modelliert: Die Änderung des Klimas, ein Wandel der Landnutzung und ein kombiniertes Klima- und Landnutzungswandel-Szenario.

Die 72 untersuchten in Fließgewässern lebenden Organismen verhalten sich in den Modellen sehr unterschiedlich: Die im Wasser lebende Steinfliege Togoperla sp. verliert beispielsweise im Zuge des Landnutzungswandels 85 Prozent ihres Verbreitungsgebietes in dem untersuchten Einzugsgebiet und ist damit lokal vom Aussterben bedroht. Die Kleinlibelle Protoneuridae sp. dagegen gewinnt 9 Prozent potentiellen Lebensraum hinzu. "Es gibt in allen unseren Modellen 'Verlierer' und 'Gewinner', beim Landnutzungs-, so wie beim Klimawandel. Doch artenübergreifend lässt sich sagen, dass der Wandel der Landnutzung den stärksten negativen Effekt auf die Artenvielfalt in Fließgewässern hat – in diesem Modell nahm die lokale Biodiversität um 20 Prozent ab", erläutert Kuemmerlen. Der Klimawandel ist demnach in den Modellen der Wissenschafter in der Auswirkung auf die Biodiversität in Fließgewässern eher zweitrangig. (red, derStandard.at, 16.5.2015)