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Fleisch auf dem Grill: Dass der Verzehr das Risiko für Darmkrebs erhöht, lässt sich mit Daten nicht belegen.

Foto: AP/Thomas Kienzle

Die aktuelle Auswertung von 27 unabhängigen Studien aus Amerika, Asien, Europa und Australien hat ergeben: Der Konsum von rotem Fleisch ist bei Dickdarmkrebs ein unbedeutender Faktor. Die im "Journal of the American College of Nutrition" veröffentlichte Metaanalyse zeigte auch, dass noch nicht einmal ein klarer Zusammenhang zwischen verzehrter Menge (Dosis-Wirkung-Beziehung) von Rind, Lamm und Schwein und Darmkrebs erkennbar ist.

Ergänzend weisen die Studienleiter auf gravierende Grundsatzprobleme der Ernährungswissenschaften hin: Zum einen ist es unmöglich, die "Wirkung" einzelner Nahrungsfaktoren isoliert von der Gesamternährung und Lebensstilfaktoren zu analysieren, andererseits sind Ernährungsbeobachtungsstudien anfällig für Verzerrungen.

Die US-Forscher analysierten Daten von 27 prospektiven Kohortenstudien, die zwischen 1994 und 2013 in Amerika (12), Asien (8), Europa (6) und Australien (1) publiziert wurden.

Kein Ursache-Wirkung-Prinzip beim Essen

"Da in der Ernährungswissenschaft keine Studien durchgeführt werden können, die Kausalitäten, also Ursache-Wirkung-Beziehungen, liefern, gelten prospektive Kohortenstudien notgedrungen als Goldstandard", erklärt Ernährungswissenschafter Uwe Knop. "Diese Beobachtungsstudien können jedoch nur statistische Zusammenhänge (Korrelationen) liefern, die maximal Vermutungen und Hypothesen erlauben – aber auch nur dann, wenn die Daten richtig gut sind."

Um auf Basis einer Metaanalyse eine Kausalhypothese formulieren zu können, müssen starke Korrelationen vorliegen, klare Dosis-Wirkung-Beziehungen erkennbar sein und die Ergebnisse zahlreicher Einzelstudien einheitlich sein.

Deshalb auch keine Dosis und Wirkung

In der aktuellen Metaanalyse jedoch waren die Korrelationen schwach, eine klare Dosis-Wirkung-Beziehung nicht erkennbar und die Ergebnisse der Einzelstudien uneinheitlich. Das Fazit der Autoren fällt dementsprechend klar aus: "Unsere Muster an Zusammenhängen unterstützen nicht die Vermutung, dass der Zusammenhang ursächlich ist. Es erscheint plausibel, dass rotes Fleisch ein unbedeutender beziehungsweise vernachlässigbarer Risikofaktor bei Dickdarmkrebs ist. Die Ergebnisse unterstützen die Schlussfolgerung, dass der Verzehr von rotem Fleisch kein unabhängiger Vorhersagefaktor für das Dickdarmkrebsrisiko ist."

Darüber hinaus weisen die Forscher darauf hin, dass auch die Daten zu den vermuteten Mechanismen zwischen Darmkrebs und Fleischverzehr (unter anderem Mikroflora, Nitrat/Nitrit, Häm-Eisen) schwach und uneinheitlich sind.

Nicht erst seit den Ergebnissen der aktuellen Meta-Analyse, dass noch nicht einmal ein Zusammenhang zwischen Darmkrebs und Rotfleischkonsum erkennbar ist, ist die Behauptung von Ursache-Wirkung-Beziehungen ein Tabu in der Ernährungsforschung.

Schwächen der Ernährungswissenschaft

"Aufgrund fehlender Beweise und gravierender Grundsatzprobleme lässt sich in der Ernährungswissenschaft keine klare Aussage treffen", erklärt Knop. Vegetarierverbände interpretieren das jedoch anders, wie Artikel wie "Krebsprävention durch pflanzliche Ernährung" auf der Website eines deutschen Vegetarierverbandes zeigen.

Die Erkenntnis, dass die Studienleiter der aktuellen Metaanalyse auf die zahlreichen Grundsatzprobleme der Ernährungswissenschaften hinweisen, ist nicht neu. Aufgrund der Schwächen von Ernährungsstudien mahnten die Autoren eines Reviews bereits 2014 zu "größerer Vorsicht bei Ernährungsempfehlungen", da diese primär auf Beobachtungsstudien basieren, die nicht durch klinische Studien bestätigt wurden.

Dieser Review, veröffentlicht in einem Journal der American Society for Nutrition, untermauerte die Kritik einer kurz zuvor erschienenen Publikation im "British Medical Journal": Viele Ergebnisse der Ernährungsforschung seien "völlig unglaubwürdig". Auch deshalb sieht Gerd Antes, Direktor des deutschen Cochrane-Instituts, die Ernährungswissenschaften in einer "bemitleidenswerten Lage". (red, 15.5.2015)