Wien - Österreichs Gletscher haben im vergangenen Winter offenbar überdurchschnittlich viel Masse zugelegt. Zumindest die im Bereich des Hohen Sonnblicks von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) vermessenen Gletscher gehen heuer mit einer um fünf Prozent größeren Masse in das Sommerhalbjahr als im Mittel der vergangenen Jahre, teilte die ZAMG mit.

Die Messungen wurden in den vergangenen Wochen durchgeführt, um die im Winter gewonnene Masse zu ermitteln (Akkumulation). Dazu wurde an mehr als 700 Punkten die Schneehöhe gemessen. Außerdem wurden neun Schächte gegraben, um Dichte und Temperatur des Schnees zu messen. Darüber hinaus wurden an zwei Standorten Schneeproben entnommen und auf Schadstoffe untersucht. Die Messungen sind Teil eines weltweiten Gletscherbeobachtungsprogramms und werden vom Umweltministerium finanziert.

Die Messungen im Einzelnen

"Der Gewinn an Masse war in diesem Winter auf den Sonnblick-Gletschern leicht überdurchschnittlich", sagte Gletscherexperte Bernhard Hynek von der ZAMG. "Die durchschnittliche Höhe der Winterschneedecke auf den Sonnblick-Gletschern ist 425 Zentimeter. Das entspricht einer Wassersäule von knapp über 1,6 Meter. Der heurige Winter liegt damit um etwa fünf Prozent über dem durchschnittlichen Wert seit Messbeginn im Jahr 1999. Im Detail liegen die Werte am Goldbergkees bei 450 Zentimeter (1,8 Meter Wassersäule) und am Kleinfleißkees bei 390 Zentimeter (1,4 Meter Wassersäule)."

Die Höhe der Schneedecke ist laut ZAMG räumlich extrem unterschiedlich und variiert an den über 700 Messpunkten von 1,5 bis sieben Meter. Denn die Schneehöhe ist stark abhängig von Windrichtung und -stärke während und nach dem Schneefall. "Um die Massenbilanz von Gletschern mit Computersimulationen korrekt modellieren zu können, ist die Kenntnis der räumlichen Schneehöhenverteilung sehr wichtig", erklärte Bernhard Hynek. "Denn Bereiche mit geringen Schneehöhen werden im Sommer früher schneefrei und schmelzen daher schneller."

Neues Mess-Tool

Um den aktuellen Zustand der Gletscher zwischen den halbjährlichen Messkampagnen jederzeit bestimmen zu können, haben ZAMG und TGM Wien nun das Projekt "GLACIO-LIVE" gestartet. Die Schüler arbeiten dabei unter anderem beim Aufbau eines hochgebirgstauglichen dezentralen Funknetzwerks mit, das der Vernetzung und der Online-Anbindung aller Messstationen auf den Gletschern dient.

Das Projekt dient dazu, den aktuellen Zustand der Gletscher schon zwischen den aufwendigen halbjährlich und jährlich durchgeführten Messkampagnen analysieren zu können. Dabei soll aus Informationen von automatischen Kameras und automatischen Messstationen der aktuelle Zustand des Gletschers in Nahe-Echtzeit berechnet und online präsentiert werden.

Ein langfristiges Ziel ist, das auf Alpengletschern getestete Funk-Netzwerk auf arktische Gletscher wie zum Beispiel den von der ZAMG vermessenen Freya Gletscher in Nordost-Grönland zu übertragen, wo die Nahe-Echtzeitanbindung aufgrund der großen Entfernungen und der damit verbundenen Reisekosten ein hohes Einsparungspotenzial darstellt. Das Projekt soll bis Jänner 2018 laufen. (APA, 15.5. 2015)