Wien - Die jüngsten Turbulenzen an den europäischen Märkten für Staatsanleihen haben auch im Bereich der Schuldverschreibungen von Unternehmen einige Schrammen hinterlassen. Seit Mitte April dominieren die Verkäufer auf dem Parkett, seitdem haben die sogenannten Corporate Bonds beinahe sämtliche Kursgewinne seit Jahresbeginn wieder abgegeben, wie der Bloomberg-Index für Unternehmensanleihen mit Investment Grade zeigt. Dennoch haben sich Corporate Bonds besser gehalten als sichere Staatspapiere. Bei zehnjährigen, deutschen Bundesanleihen vervielfachte sich durch die jüngsten Kursverluste die Rendite binnen kurzer Frist von 0,05 auf zuletzt 0,6 bis 0,7 Prozent.

Für Fondsmanagerin Martina Groll von der Erste Sparinvest stecken die gestiegenen Konjunktur- und Inflationserwartungen in Europa hinter dieser Entwicklung: "Bei Unternehmensanleihen haben Investoren einen größeren Puffer, der Zinsanstiege abfedern kann", erklärt sie den robusteren Trend bei Corporate Bonds. Diese weisen generell einen Risikoaufschlag gegenüber Staatsanleihen bester Bonität auf, der jedoch je nach Marktlage und Risikobereitschaft der Investoren variiert.

Geringes Ausfallsrisiko

Zudem verweist Groll auf die doppelte Wirkungsweise von höherer Inflation für Firmen-Schuldpapiere. Einerseits nagt zwar eine gestiegene Teuerung generell an der Realverzinsung aller Anleihen, andererseits signalisiere sie eine höhere Gewinnerwartung für Unternehmen - was deren Ausfallsrisiko senkt. "In manchen Bereichen gibt es derzeit extrem geringe Ausfallsraten verglichen mit dem Risikoaufschlag", so die Anleihenexpertin.

Für die Fondsmanagerin stellt die jüngste Entwicklung keinen Grund dar, Unternehmensanleihen künftig zu meiden. "Wir haben nun ein Renditeniveau erreicht, das wieder für viele Investoren attraktiv ist. Es stellt die Möglichkeit dar, eine höhere Rendite einzuloggen", meint Groll.

Nachgelassen hat an der Wiener Börse das Handelsvolumen im Bereich Unternehmensanleihen. Mit insgesamt 29,1 Mio. Euro lagen die Handelsumsätze von Jänner bis Ende April um mehr als ein Viertel unter dem Niveau des Vorjahres. Für Groll, die selbst auch viel abseits von Wien handelt, ist das kein auf die heimische Börse beschränktes Phänomen. Generell ist aus ihrer Sicht das Handelsvolumen bei europäischen Anleihen derzeit etwas "ausgetrocknet", was den Markt anfälliger für Schwankungen mache.

Gut lief es heuer am Wiener Primärmarkt. In den ersten vier Monaten des Jahres kam durch 13 Neuemissionen und drei Aufstockungen laufender Corporate Bonds ein Gesamtvolumen von 2,86 Mrd. Euro in den Handel. Das stellt unterm Strich einen Volumenzuwachs gegenüber den ersten vier Monaten des Vorjahres von rund einer Milliarde Euro dar.

Auffallend ist allerdings die schwache Emissionstätigkeit österreichischer Firmen. Von dem im Verlauf des Jahres 2014 neu eingeführten Gesamtvolumen von 7,25 Mrd. Euro stammte noch etwas über die Hälfte von heimischen Emittenten. Heuer stehen bisher bloß 600 Mio. Euro von Schuldnern aus Österreich zu Buche, was nur noch einem Anteil von gut einem Viertel entspricht. (Alexander Hahn, 15.5.2015)