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Die Strecke über den Semmering ist Weltkulturerbe – wie groß das geschützte Gebiet ist, ist umstritten.
Wien – Das Beschwerdeverfahren gegen den Semmeringbasistunnel neu (SBTn) vor dem Bundesverwaltungsgericht gewährt tiefe Einblicke in den Umgang der Republik mit ihrem Unesco-Welterbe. Und es fördert Dokumente zutage, die der Öffentlichkeit über Jahre vorenthalten wurden.
So ist der sogenannte Häfliger-Report, 2010 vom Schweizer Architekten Toni Häfliger im Auftrag von Icomos, dem Internationalen Rat für Denkmalpflege, erstellt, über die Auswirkungen des zweiröhrigen Tunnels auf die Gebirgsbahn samt umgebender Landschaft, im Internet abrufbar.
Sein Befund, der auf Erkundungen im April 2010 basiert, ist kein Freibrief. "Beträchtlich" nennt er die Auswirkungen des Tunnelbaus. Dies nicht so sehr für den schmalen, 156,18 Hektar großen Korridor, auf dem die Ghega-Bahn verläuft, sondern für den weit größeren Teil der 1998 ebenfalls zum Welterbe erklärten umgebenden Kulturlandschaft.
Beirat "unabdingbar"
Der Bau müsse die Auswirkungen auf die "Pufferzonen begrenzen" und die "Kernzone" mit der Bahnstrecke "so unberührt wie möglich" lassen, schreibt Häfliger und empfiehlt Maßnahmen wie ein umfassendes Monitoring für Landschaftsgestaltung - auch für temporäre Bauten in der Bauphase. Für unabdingbar hält der Experte des Weiteren die Einrichtung eines interdisziplinären Beirats, der Architektur und Landschaft schützen soll.
Als Gefahr für den historischen Kern des Welterbes sieht Häfliger das auf drei bis sechs Milliarden Euro taxierte Tunnelprojekt nicht, sofern entsprechende Schutzmaßnahmen durchgeführt werden. Diese Einschränkung ist vielsagend, insofern, als der Sachverständige einräumt, dass er den von Bauwerber ÖBB-Infrastruktur erstellten Managementplan für das Welterbe nicht geprüft und folglich nicht berücksichtigt habe.
Das wäre zeitlich zwar möglich gewesen – der Managementplan wurde der Unesco bereits 2008 übergeben. Aber diese hatte dessen Prüfung im Jahr 2011 noch nicht abgeschlossen, wie das Bundesdenkmalamt einräumte.
8800 Hektar Welterbe
Erstellt worden war der Plan im Zuge einer "Welterbe-Inventur" der Unesco. Österreich und die ÖBB katalogisierten die 8800 Hektar Welterbe auftragsgemäß, teilten es bei dieser Gelegenheit aber in eine Kern- und vier Pufferzonen. Die 1998 eingetragene Bezeichnung "Semmeringbahn und umgebende Landschaft" lautet seither nur mehr auf "Semmeringbahn". Die umgebende Landschaft sei nie Teil des Welterbes gewesen, sagt das Kulturministerium.
Zufall oder nicht: Für den 2005 von der Regierung beschlossenen Tunnelbau kommt die Gliederung in mehr und weniger schutzwürdige Areale zupass. Wäre das gesamte Gebiet Kernzone geblieben, wäre der invasive Bau wohl nicht möglich.
Unterstützung kam auch vom Amt der steirischen Landesregierung, das das Landschaftsschutzgebiet "Stuhleck-Petrul" (seit 1981) im März 2007 halbierte. Bereiche, in denen der SBTn verlaufen wird, fielen heraus.
Verwaltungsgericht muss klären
Ob die an die Unesco gelieferte "Inventur" samt Managementplan ein tragfähiges Fundament für den SBTn ist, muss das Bundesverwaltungsgericht (BVG) klären. Wiewohl von der Unesco 2011 noch nicht approbiert, diente die Inventur 2010 bereits als Basis für die Umweltverträglichkeitsprüfung. Sie könnte also auf falscher Grundlage erstellt worden sein.
Der Verwaltungsgerichtshof hob Bau- und UVP-Bescheid 2013 auf, allerdings nicht wegen der Welterbe-Problematik, sondern weil im Eisenbahn-Genehmigungsverfahren Sachverständige am Werk waren, die nicht über entsprechende Expertise verfügten. Nun ist das BVG am Zug, der Senat um Richter Werner Andrä muss den neuen 2014 ergangenen UVP-Bescheid prüfen. Ein Urteil wurde vom Gericht für Juni in Aussicht gestellt. (Luise Ungerboeck, 15.5.2015)