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Laut einem Bericht ist geplant, bei Anrufen aus dem Ausland nur 50 Minuten pro Jahr zu Inlandskonditionen zu gestatten.
Die Roaminggebühren, die EU-Kommission und Europaparlament ursprünglich per Gesetz bis Juli 2016 ersatzlos abschaffen wollten, sollen offenbar noch jahrelang weiterbestehen. Das berichtete die "Bild"-Zeitung am Freitag unter Berufung auf ein Geheimpapier aus dem Europäischen Rat vom 27. April.
Demnach verständigte sich der zuständige EU-Ministerrat darauf, ab 1. Jänner 2016 nur bis zu bestimmten Obergrenzen sogenannte "Roam like at home"-Tarife für EU-Bürger einzuführen, die ihr Handy oder Smartphone im EU-Ausland nutzen.
Ein Protokoll auf Beamtenebene
Laut dem für Roaming, also das Telefonieren und Surfen im Ausland, zuständigen Verkehrs- und Infrastrukturministerium dürfte es sich bei dem Papier um ein Protokoll auf Beamtenebene handeln. Das nächste Treffen der 28 Telekomminister ist erst für Mitte Juni geplant.
Die nun an die Öffentlichkeit gelangten Informationen seien aber nicht überraschend, da es im Rat schon länger die Position gebe, Roaming nicht von heute auf morgen abzuschaffen, sagte eine Sprecherin von Minister Alois Stöger (SPÖ). "Auch das österreichische Ministerium ist gegen eine übereilte Abschaffung." Hintergrund ist vor allem die Sorge, dass die Mobilfunker die wegbrechenden Roamingeinnahmen durch höhere Tarife kompensieren würden.
Nur 50 Minuten pro Jahr zu Inlandskonditionen
Konkret sei geplant, bei Anrufen aus dem Ausland nur 50 Minuten pro Jahr zu den jeweiligen Inlandskonditionen zu gestatten, berichtete die "Bild". Nach Überschreiten dieser Grenze sollten weiterhin Roaminggebühren fällig werden, die aktuell 0,19 Euro pro Minute für Anrufe sowie 0,05 Euro pro Minute für angenommene Anrufe betragen. Ebenso sei vorgesehen, dass EU-Bürger im Ausland nur 50 SMS pro Jahr zu den jeweiligen Inlandsbedingungen abschicken könnten. Ab dem 51. SMS würden wiederum Roaminggebühren fällig (aktuell 0,06 Euro pro SMS).
100 Megabyte pro Jahr
Bei der Nutzung des mobilen Internets sehen die EU-Minister dem Bericht zufolge eine Obergrenze von 100 Megabyte pro Jahr vor. Wer diesen Wert bei Auslandsreisen überschreite, müsse ebenfalls weiter Aufschläge zahlen (aktuell 0,20 Euro pro MB verbrauchtes Datenvolumen).
Ein EU-Diplomat bestätigte, dass die Zahlen dem derzeitigen Kompromiss unter den Staaten entsprechen. Er sagte, man gehe aber davon aus, dass die Roaming-Aufschläge nach Erreichen dieser Grenzwerte niedriger ausfallen als bisher. Ein anderer Diplomat ergänzte, im Gespräch sei beispielsweise für Telefonate der Heimattarif mit einem Aufschlag von 5 Cent pro Minute plus Mehrwertsteuer.
"Eigentlich müsste es einen Volksaufstand geben"
Die Europaparlamentarierin und frühere EU-Kommissarin Viviane Reding bezeichnete die Pläne laut "Bild" als "Schande". "Eigentlich müsste es einen Volksaufstand geben", sagte Reding. "In geheimen Brüsseler Ministerialrunden wird beschlossen, den Leuten weiter das Geld aus der Tasche zu ziehen."
Beschlossen ist vorerst noch nichts, weil die Länder sich mit dem Europaparlament einigen müssen. Das hatte ursprünglich gefordert, die Aufschläge bis Ende 2015 komplett abzuschaffen. Allerdings ist wegen der langwierigen Verhandlungen inzwischen klar, dass die Gebühren frühestens Mitte oder Ende 2016 fallen könnten, heißt es in der Volksvertretung. Der österreichische Grünen-Abgeordnete Michel Reimon bezeichnete die Verhandlungen als "verfahren".
Netzneutralität
Die Verhandlungen sind auch deshalb so schwierig, weil neben der Abschaffung der Roaming-Gebühren auch die sogenannte Netzneutralität zur Debatte steht. Dahinter steckt die Idee, dass Internet-Provider und Telekommunikationsunternehmen die Datenpaketen der Nutzer gleichberechtigt durch ihre Leitungen schicken - unabhängig davon, woher sie stammen oder welchen Inhalt sie haben. Auf EU-Ebene wird darüber verhandelt, ob und welche Daten unter bestimmten Bedingungen doch Vorrang haben sollten.
Nach Darstellung des österreichischen Grünen-Abgeordneten Reimon wäre das Parlament möglicherweise zu Verzögerungen beim Thema Roaming bereit, wenn dafür das Prinzip der Netzneutralität gerettet würde. "Am wahrscheinlichsten ist, dass wir uns im zweiten Halbjahr 2015 einigen - oder die Verhandlungen abbrechen", sagte er. (APA, 15.5.2015)