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Jeb Bush hemdsärmelig bei einem Town-Hall-Meeting

Foto: Reuters / Deanna Dent

Bei einem Bürgerforum, einem sogenannten Town-Hall-Meeting, in der Four-Peaks-Brauerei in Tempe, Arizona, nur wenige Kilometer von Phoenix entfernt, bekannte Jeb Bush endlich Farbe: "Nach allem, was wir heute wissen, was hätte ich getan? Ich hätte mich nicht darauf eingelassen. Ich wäre nicht in den Irak gegangen."

Es war innerhalb von vier Tagen der vierte Versuch, die Antwort auf eine Frage zu geben, die ihn zu überraschen schien, obwohl doch sonnenklar sein musste, dass sie die ganze Nation beschäftigt: Von John Ellis "Jeb" Bush wollen die Wähler für ihre Entscheidung, wen sie 2016 ins Weiße Haus schicken sollen, natürlich wissen, auf wessen Spuren er wandelt; auf den interventionistischen seines Bruders George W. Bush, 43. Präsident der Vereinigten Staaten - oder auf den realpolitischen seines Vaters George H. W. Bush, der es 1991 als 41. US-Präsident nach der Befreiung Kuwaits im Golfkrieg abgelehnt hatte, Truppen nach Bagdad marschieren zu lassen, um den Diktator Saddam Hussein zu stürzen. George junior oder George senior? Hybris oder Vorsicht?

Nachteilige Verwandtschaft

Das Kapitel Irak liegt den Amerikanern nicht nur schwer im Magen, es liegt auch wie ein Schatten über dem Wahlkampf, den der Ex-Gouverneur Floridas längst mit vollem Einsatz führt, obwohl er sich offiziell noch nicht ums Weiße Haus beworben hat.

Dabei ist es nicht ganz so einfach, wie es auf den ersten Blick scheint: Einerseits fand selbst Fox News, der Haussender der Konservativen, bei einer Umfrage heraus, dass es mittlerweile 58 Prozent der Wähler für einen Nachteil halten, wenn ein Kandidat mit George W. verwandt ist. Andererseits gibt im Maisstaat Iowa, der zum Auftakt der Primaries die Weichen stellt, die religiöse Rechte den Ton an der Parteibasis an - und bei der steht George W. nach wie vor hoch im Kurs.

Falls es schließlich im Finale zum Duell Bush gegen Clinton kommt, dürfte keiner von beiden lange auf der Irak-Frage herumreiten, denn auch die Senatorin Hillary Clinton hat einst für den Einmarsch gestimmt. Jebs Dilemma besteht eher darin, dass sein Eiertanz den Eindruck erweckt, als überfordere ihn die gnadenlose Härte des Kampagnenmarathons - schon auf den ersten Metern.

Eine Frage, viele Antworten

Am Montag antwortete er bei Fox auf die Frage, ob er nach heutigem Kenntnisstand die Invasion gebilligt hätte. "Ja, und Hillary Clinton hätte es auch getan. Fast jeder hätte es getan." Am Dienstag ruderte er langsam zurück, indem er dem Radiotalker Sean Hannity sagte, er habe die Fox-Frage wohl falsch verstanden. Gewiss seien im Zweistromland Fehler gemacht worden, von falschen Geheimdienstinformationen bis hin zu mangelnder Konzentration auf die Sicherheitslage.

Am Mittwoch, bei einem Town-Hall-Meeting in der Casinostadt Reno, ließ eine Studentin namens Ivy Ziedrich den Kandidaten ihren Frust spüren. "Ihr Bruder hat den 'Islamischen Staat' erst geschaffen", widersprach die 19-Jährige, aufgewachsen in einem stramm republikanischen Elternhaus, nachdem Jeb den Aufstieg der Terrormiliz IS der verfehlten Außenpolitik Barack Obamas zugeschrieben hatte. "Es ist, als hätte jemand sein Auto zu Schrott gefahren und hinterher dem Beifahrer die Schuld in die Schuhe geschoben", protestierte Ziedrich. Am Donnerstag schließlich ging der neue Hoffnungsträger der Bush-Dynastie auf Distanz zu seinem Bruder.

"Habe meinen eigenen Kopf"

Bis dahin hatte er den breitestmöglichen Spreizschritt probiert, indem er sich irgendwo zwischen Bruder und Vater positionierte - so vage es irgendwie ging. In seinem Beraterteam sind sowohl forsche Interventionisten als auch kühle Realpolitiker vertreten: Paul Wolfowitz, der Architekt des Irakkrieges, ebenso wie James Baker, der Außenminister des alten Bush.

Als er vor drei Monaten in Chicago seine erste außenpolitische Grundsatzrede hielt, klang sein Spagat so: "Ich liebe meinen Bruder, ich liebe meinen Vater - aber ich habe meinen eigenen Kopf". (Frank Herrmann aus Washington, DER STANDARD, 16.5.2015)