Wir hatten die "Salzburg-Krone" wegen mehrfacher Hetze gegen Bettler und Asylwerber auf dem Radar, als uns eine massive Kampagne für ihren größten Werbekunden Spar ins Auge fiel. Auf tendenziöse und geradezu groteske Weise schrieb das reichweitenstärkste Medium Salzburgs gegen die "kommunistische" Entscheidung der Landespolitik an, Neu- und Ausbauten von Einkaufszentren auf der grünen Wiese nicht mehr zu genehmigen. Hauptbetroffener dieser Entscheidung: der zur Spar-Gruppe gehörige Europark, der um 11.300 Quadratmeter erweitert werden soll, laut "Krone" eine "lächerlich kleine Umwandlung von Lagerräumen".

Missbrauch von Macht

Natürlich muss ein großer Wirtschaftsbetrieb in dieser Sache öffentlich gehört werden. Doch die "Kronen Zeitung" breitete die Frage in dutzenden Artikeln und bislang sechs Titelgeschichten, ohne den Ansatz einer sachlichen Auseinandersetzung mit den Argumenten beider Seiten und voll von ehrrührigen und haarsträubenden Behauptungen, völlig einseitig und überproportional aus. Ob tatsächlich im Auftrag eines Werbekunden oder nur zufällig in dessen Sinne, das ist schlicht Missbrauch von Macht.

In der Folge blieb jegliche öffentliche Diskussion über diesen Machtmissbrauch aus, selbst in konkurrierenden Medien: Am 26. April erschien unsere ausführliche Dokumentation des Falles, die am selben Tag in einem "Profil"-Artikel und in einer relativ scharfen APA-Meldung aufgegriffen wurde. Doch ein weiteres Echo blieb so gut wie aus: Die APA-Meldung wurde zu Minimeldungen in STANDARD, "Kurier" und "Falter" verarbeitet, das ORF-Landesstudio Salzburg schwieg, und alle Regionalmedien wie die Bezirksblätter, die "Salzburger Woche" oder "Echo Salzburg" schwiegen ebenfalls.

Den Vogel schossen die "Salzburger Nachrichten" ab: Nachdem die APA-Meldung am Vormittag auf salzburg.com online gegangen war, war der Artikel am Nachmittag wieder verschwunden. "404, Page not found". Auf Nachfrage schrieb mir Chefredakteur Manfred Perterer, es sei "übliche Linie der Salzburger Nachrichten, nicht über Mitbewerber und deren Angelegenheiten zu berichten". Eine Behauptung, die sich anhand zahlreicher "SN"-Artikel widerlegen lässt.

Warnende Beispiele

Ob all das damit zu tun hat, dass Spar mit Ausgaben von 121 Millionen Euro Österreichs zweitgrößter Werbetreibender ist, weiß ich nicht. Zum Vergleich: Die Frage, ob die private Dienstwagennutzung des Verteidigungsministers im Wert von wenigen tausend Euro legitim war, wurde zur selben Zeit in dutzenden Leitartikeln und Kommentaren erörtert.

In Zeiten, in denen die direkte Demokratie ausgebaut werden soll, frage ich mich: Wie kann das funktionieren? Wie soll die Bevölkerung eine Entscheidung treffen, wenn Massenmedien die Öffentlichkeit nicht informieren, sondern vorsätzlich manipulieren, und die, die das nicht tun, dazu schweigen? Wer kontrolliert die vierte Gewalt, wenn sie das nicht selbst tut?

Als warnende Beispiele muss man nicht erst die letztlich erfolglose Berufsheerkampagne der "Krone" oder den unseligen Gusenbauer-Faymann-Brief an Hans Dichand bemühen: Unter dem irreführenden Titel "Stopp dem US-Freihandelsabkommen" mobilisiert die "Kronen Zeitung" seit rund einem Jahr gegen das EU-US-Freihandelsabkommen TTIP. Latenter Antiamerikanismus und faktenarmes Spiel mit der Furcht vor Gentechnik, sozialem Abstieg und anderen Schreckgespenstern prägen die Rhetorik. Und siehe da, der Kanzler ist nach einer 180-Grad-Wende bereits auf "Krone" -Linie.

Alle klatschen

Zurück zur Salzburger Europark-Kampagne: "Eigentlich unglaublich" fand Peter Rabl den Kobuk-Artikel auf Twitter, "Wieso kampagnisiert die Krone so für Spar?" fragte Florian Klenk, "Danke Kobuk!" twitterte Fabio Polly. Eine Debatte jenseits der Twitter-Journalistenblase blieb jedoch aus. Warum? Zu hölzern kann das Thema nicht gewesen sein: Der Artikel, obwohl 20 Bildschirmseiten lang, verbreitete sich auf Facebook in den ersten Tagen rund 80.000-mal.

Wir boten das Thema im Vorfeld auch dem ORF-"Report" und der "ZiB 2" an. Obwohl man den Kobuk-Artikel dort "hinreißend" und "super" fand, gab es dann irgendwelche Gründe, warum es sich leider nicht für die eigene Sendung eignete. Lediglich die "Salzburg-Krone" selbst reagierte auf uns, gleich in vier Artikeln, bezeichnete uns aber durchgängig als "seltsame Plattform Kukuk". "Dies kann uns nicht ein Haucherl einschüchtern", richtete uns Chefredakteur Hans Peter Hasenöhrl aus und deutete an, die "Salzburger Nachrichten" säßen mit der "Krone" im selben Boot. Auf Facebook drohte er dem Salzburger Grünen-Politiker Cyriak Schwaighofer mit Klage, sollte dieser den Link zum "Kobuk"-Artikel nicht löschen. Schwaighofer hat den Link und die Diskussion darunter inzwischen gelöscht.

Kollektives Schulterzucken

Mit Machtmissbrauch dieser Größenordnung schadet sich aber nicht nur die "Krone". Mit ihrem kollektiven Schulterzucken verspielt die ganze Medienbranche weiter, was an ihrem wertvollsten Gut noch übrig ist: Glaubwürdigkeit. Wer schweigt, stimmt zu.

Die Situation ist schlimmer, als ich mir das trotz fünf Jahren Medienkritik auf kobuk.at vorstellen konnte. Vielleicht braucht es den von allen gefürchteten Medienwandel: um neue, bessere hervorzubringen. Solche, die nicht zu feig sind, den Machtmissbrauch eines mächtigen Mitbewerbers zu thematisieren. (Helge Fahrnberger, 17.5.2015)