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Die Beifußblättrige Ambrosia hat das weltweit stärkste Pollen-Allergen, das Tränen, Augenjucken, Kopfschmerzen und Heuschnupfen auslöst.

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Diagnostik bei Gräserpollenallergie: Die Grafik zeigt, bei welchen Allergenen eine Immuntherapie Sinn macht.

Foto: ImmunoCAP®

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Diagnostik bei Birkenpollenallergie: "Weise ich zum Beispiel bei einem Birkenpollen-Allergiker nach, dass er auf Bet v 1 reagiert, hat eine Immuntherapie Sinn", sagt Stefan Wöhrl, Allergologe am Florisdorfer Allergiezentrum.

Grafik: ImmunoCAP®

Die Nase läuft, die Augen jucken und man fühlt sich einfach nur elend: Der Heuschnupfen hat einen wieder gepackt. Die beste Therapie wäre, Pollen zu meiden, doch das ist kaum möglich. Die Beschwerden können Nasenspray oder Tabletten lindern. "Die verhindern aber nicht, dass der Körper überempfindlich auf die Pollen reagiert, was im Körper eine Kaskade von Immunreaktionen in Gang setzt", sagt Cezmi Akdis, Direktor des Schweizerischen Instituts (SIAF) und des Christine Kühne Zentrums (CK-CARE) für Allergieforschung in Davos.

Hier setzt die Immuntherapie ein, die manchmal auch "Allergieimpfung" genannt wird. In regelmäßigen Abständen bekommt der Patient die allergieauslösenden Stoffe aus den Pollen in winzigen Dosen unter die Haut gespritzt (SCIT) oder nimmt sie täglich in Form von Tablette oder Tropfen ein (SLIT). "Durch ständigen Kontakt mit den Stoffen lernt der Körper, nicht mehr überempfindlich zu reagieren und die überschießende Immunreaktion wird unterbrochen", erklärt Akdis.

Mehr als jeder Zweite hat deutlich weniger Beschwerden, braucht weniger Medikamente. Zudem steigt die Lebensqualität, und das Risiko, später an Asthma zu erkranken, sinkt.

Neue Methode: Allergiediagnostik

Immer wieder sagen Heuschnupfen-Geplagte, die Immuntherapie habe ihnen überhaupt nicht geholfen. "Wir wissen inzwischen, woran das liegt", sagt Stefan Wöhrl, Allergologe am Florisdorfer Allergiezentrum (FAZ) in Wien. "und zwar hängt der Therapieerfolg von den Eiweißen in den Pollen ab, gegen die man allergisch ist."

Pollen von Birken oder Gräsern enthalten Hunderte von Eiweißen. Aber nur weniger als ein Dutzend davon lösen die typischen Heuschnupfen-Beschwerden aus. In Birkenpollen sind das zum Beispiel die Eiweiße mit den Namen Bet v 1, in Gräserpollen Phl p 1 und Phl p 5. Die Kürzel stehen dabei für die lateinischen Begriffe der Pflanzen: Betula verrucosa und Phleum pratense.

"Mit neuen Tests können wir jetzt herausfinden, auf welches Allergen jemand überempfindlich reagiert", sagt Wöhrl. Die neue Nachweismethode heißt molekulare oder komponentenbasierte Allergiediagnostik (CRD). "Entscheidend ist dabei, ob der Patient auf ein Haupt oder ein Nebenallergen reagiert", sagt Wöhrl.

Wann macht Immuntherapie Sinn?

Hauptallergene kommen jeweils nur in einer Pollenart vor. In der Birke ist das etwa Bet v 1, in Gräsern Phl p 1, 5 oder 6 und in Beifuss Art v 1. Neben- oder Panallergene finden sich dagegen in vielen Pollenarten, sind aber nur selten für die Beschwerden verantwortlich. Solche Pan- oder Nebenallergene sind zum Beispiel Bet v 2 und 4 in der Birke und Phl p 7 und 12 in Gräsern. "Patienten, die auf Hauptallergene sensibilisiert sind, sind ideale Kandidaten für eine Immuntherapie", sagt Wöhrl. "Die Wahrscheinlichkeit, dass die Immuntherapie wirkt, ist viel höher als bei Patienten, die nur auf Neben- oder Panallergene reagieren."

Denn in den Lösungen für die Immuntherapie kommen die Hauptallergene in höherer Konzentration vor. So wird dem Körper eine ausreichende Menge an Allergenen verabreicht, mit denen sich sein Immunsystem auseinandersetzen kann und die Pollen zu tolerieren lernt. "Weise ich zum Beispiel bei einem Birkenpollen-Allergiker nach, dass er auf Bet v 1 reagiert, hat eine Immuntherapie Sinn", sagt Wöhrl.

Finden Allergologen dagegen nur eine Reaktion auf Bet v 2 und 4, raten sie davon ab. "Die Hintergründe dafür verstehen selbst viele Allergologen nicht", sagt Markus Ollert, Direktor der Abteilung für Immunologie und Infektiologie am Luxemburger Institut für Gesundheit (LIH). "Aber für den Patienten ist das wichtig zu wissen, damit er nicht umsonst eine jahrelange Spritzentherapie macht und nachher frustriert ist, weil sie nicht hilft."

Vorteil: Allergie gegen Hauptallergene

Zum einen sei bisher nicht belegt, ob Bet v 2 und 4 wirklich für die Heuschnupfen-Beschwerden verantwortlich seien oder ob der Patient nicht auf eine andere Pollenart oder gar Hausstaubmilben oder Tierhaare allergisch sei. "Zum anderen sind in den Standard-Immunlösungen nicht genügend Bet v 2 und Bet v 4 enthalten, so dass der Körper nicht genügend Stoffe hat, mit denen er sich auseinandersetzen kann."

Schmid-Grendelmeier, Leitender Allergologe an der Uniklinik in Zürich, fand in einer Studie mit 746 Patienten heraus, dass 73 Prozent der Studienteilnehmer mit Allergie gegen Hauptallergene gut bis sehr gut auf die Immuntherapie ansprachen, aber nur 16 Prozent derjenigen mit Allergie alleine gegen Nebenallergene.

"Die neue Allergie Diagnostik vermeidet etwaige Nebenwirkungen und spart Zeit und Geld", sagt Schmid Grendelmeier. Er setzt die Tests darüber hinaus ein, um nachzuweisen, ob ein Heuschnupfen-Geplagter auch auf bestimmte Nahrungsmittel allergisch reagiert. Außerdem scheint das Allergenmuster einen Hinweis darauf zu geben, welcher Patient später einmal Asthma entwickelt.

Neue Ansätze

Kopfzerbrechen bereitet den Forschern noch, dass die Immuntherapie auch bei den Hauptallergenen nicht so gut wirkt wie bei Bienen oder Wespenallergie. Dort sprechen mehr als 80 Prozent der Patienten auf die Therapie vollständig an, das heißt dass sie danach bei einem erneuten Stich nur mit einer kleinen Schwellung und Rötung reagieren.

"Es gibt viele Ansätze, wie die Pollen Immuntherapie noch wirksamer gemacht werden kann", fasst Cezmi Akdis die neuesten Studien zusammen. So geben manche Forscher Substanzen zur Immunlösung, die die gesunde Immunantwort im Körper verstärken.

Andere verändern die Allergene in der Lösung chemisch oder genetisch oder verabreichen sie über die Haut, die Bronchien oder die Nase. In den kommenden Jahren werde es einige neue Ansätze geben, ist Akdis sicher. "Bis dahin nutzen wir eben die heute zugelassenen Immuntherapien – damit können wir viele Patienten vor lästigen Beschwerden und auch vor Asthma schützen." (Felicitas Witte, 27.5.2015)