Paul Bständigs Großvater verkaufte in der Monarchie chirurgische Instrumente. Er selbst spezialisierte sich mit 30 Filialen auf medizinische Pflegebehelfe, seine Tochter Katharina tritt in seine Fußstapfen.

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Wien – Ältere Menschen, sagt Paul Bständig, gehören unter Junge, ein Mix sei doch viel besser, als wenn Pensionisten nur unter sich blieben. Viele unter ihnen wollten zudem so lange wie nur möglich in ihren eigenen vier Wänden leben. Die Kunst sei es, das Umfeld so zu gestalten, dass sie sich problemlos daheim betreuen lassen könnten.

Bständig sind die körperlichen Beschwerden der Österreicher gut vertraut. Seit mehr als 100 Jahren arbeitet seine Familie in der Pflege der Kranken und Vorsorge der Gesunden. Schon sein Großvater vertrieb in der Monarchie als Handelsreisender chirurgische Instrumente - furchtbare Dinger, die aus heutiger Sicht Furcht einflößen, wie Bständig freimütig bei einem Rundgang durchs Lager bekennt.

Dort stapeln sich in großen Hallen medizinische Behelfe für augenscheinlich jedes Handicap. An die 15.000 verschiedene Produkte sind es, mit denen er Ärzte, Krankenhäuser, Rehazentren, Pflegeheime und Kunden quer durch alle Altersschichten bedient. "Menschen, die zu uns kommen, haben ein Problem. Wir versuchen, es zu lösen." Bständig hat dafür in Ostösterreich mit 30 Filialen und 360 Mitarbeitern ein fast flächendeckendes Vertriebsnetz aufgebaut.

Keine Achterbahn

Ins öffentliche Rampenlicht hat es ihn nie gezogen. Und die Frage, wie sich denn ein Familienbetrieb über mittlerweile vier Generationen am Leben erhalten lasse, beantwortet er schlicht: "Strebsam sollte man halt sein, und ein bisserl Glück braucht man auch." Er habe stets auf kontinuierliche Entwicklung Wert gelegt, "es ging niemals rasant rauf oder runter."

An die einstige Verbandstofffabrik erinnert heute nur noch der Name der Unternehmenstochter. Mit Verbandsmaterial könne ein kleiner Produzent gegen internationale Konzerne nicht bestehen, sagt Bständig. Selbst Hand angelegt wird dennoch: In Maßarbeit erzeugt Bständig Orthopädiewaren wie Prothesen, Schuheinlagen und Mieder. Viele der medizinischen Behelfe werden direkt mit den Krankenkassen verrechnet. Erwogen, anstatt in Wien im günstigeren Osteuropa zu fertigen, hat der gelernte Kaufmann bisher nie. "Schon viele sind über die Grenze gegangen und wieder zurückgekehrt." Er belasse die Wertschöpfung lieber in Österreich.

Sein Betrieb erzielt Gewinne. Umsätze veröffentlicht er keine. Bständig sieht sein Gedeih als Unternehmer von den Mitarbeitern abhängen, zumal er nicht nur vom klassischen Handel, sondern stark von der Dienstleistung lebe. Er suche daher keine Generalisten, sondern Spezialisten, bilde diese vielfach selbst aus und investiere in die Weiterbildung. Erst kürzlich wurden wieder 20 Lehrlinge aufgenommen. Von der Generation davor sind 80 Prozent geblieben. Dennoch sind vor allem gute Orthopädietechniker knapp. "Ihre Gehälter erwecken den Neid eines manchen Akademikers."

Lebensgeschichten

Der Handel übers Internet ist für Bständig nur ein Randthema. Der Onlineshop werde zumeist nur als Informationsportal genutzt, seine Produkte seien halt einfach zu beratungsintensiv. "Und viele Kunden suchen Ansprechpartner, erzählen uns ihre Lebens- und Krankengeschichten. Dafür braucht es viel Einfühlungsvermögen."

Dass das Image seines Betriebs verstaubt, fürchtet Bständig nicht. Dafür sei das Publikum einfach zu bunt gemischt: Eltern decken sich bei ihm mit Babybedarf ein, Sportler nach Laufanalysen mit Schuheinlagen - und nach Unfällen mit Rehabilitationsgeräten.

Nach Paul Bständig wird seine Tochter Katharina das Unternehmen weiterführen. Sie sei schon als Baby in einer Tragtasche im Stammhaus auf der Wiener Freyung gelegen, erzählt sie und lacht. Nach der Meisterprüfung zur Bandagistin studierte sie Wirtschaft. Mittlerweile teilt sie sich die Geschäftsführung mit dem Vater. In die Quere kämen sie einander nie, versichert sie. "Die Arbeit ist klar geteilt." Und angesichts ihrer eigenen kleinen Kinder sei sie froh über elterliche Unterstützung. (Verena Kainrath, 26.5.2015)