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Wiener Forscher wiesen auf fast der Hälfte von 50 in Wien gekauften Hühnerfleisch-Proben Viren nach, die Antibiotika-Resistenz-Gene von einem Bakterium zu einem anderen übertragen können.

Foto: AP/ Jayme Halbritter

Viren dürften eine viel größere Rolle in der Übertragung von Antibiotika-Resistenzen zwischen Bakterien spielen als angenommen. Wiener Forscher wiesen nun auf fast der Hälfte von 50 in Wien gekauften Hühnerfleisch-Proben Viren nach, die fähig sind, Antibiotika-Resistenz-Gene von einem Bakterium zu einem anderen zu übertragen, berichten sie im Fachjournal "Applied and Environmental Microbiology".

Infizierte Bakterien

Bakteriophagen, auch nur Phagen genannt, sind eine Viren-Gruppe, die Bakterien infizieren. Für den Menschen stellen sie grundsätzlich kein Problem dar. Dass sie Resistenzgene übertragen können, sei nicht neu. "Man dachte bisher nur, dass das keine besondere Rolle spielt", erklärte Studienautorin Friederike Hilbert vom Institut für Fleischhygiene der Veterinärmedizinischen Universität Wien.

In der Molekularbiologie wird die Fähigkeit der Phagen, ihre Erbsubstanz (DNA bzw. RNA) in jene der Wirtszelle einzubauen, für verschiedene Zwecke ausgenutzt. Die Wissenschafter gehen davon aus, dass die Phagen bei ihrer Vermehrung in resistenten Bakterien deren Resistenzgene in ihr Erbgut aufnehmen und auf andere Bakterien übertragen.

Für ihre Studie isolierten die Forscher jene Viren von dem Hühnerfleisch, die auf Coli-Bakterien spezialisiert sind. "Rund ein Viertel dieser isolierten Phagen war in der Lage, eine oder mehrere der insgesamt fünf untersuchten Antibiotika-Resistenzen zu übertragen", sagte Hilbert.

Angesichts der Tatsache, dass nur die Resistenz gegen fünf Antibiotika (Tetracycline, Kanamycine, Chloramphenicol, Ampicillin sowie ein weiteres Betalactam-Antibiotikum) von fünf zufällig ausgewählten Viren aus jeder Fleischprobe getestet wurde, geht Hilbert davon aus, "dass die Zahl der Phagen, die Resistenz-Gene übertragen können, noch deutlich höher liegen muss".

Transferierte Resistenzen

In den Experimenten zeigte sich, dass Phagen die Resistenzen nicht nur innerhalb ein und des selben Bakterien-Stamms, sondern auch zwischen verschiedenen Bakterienarten übertragen konnten. Hilbert hält es etwa für möglich, dass ein generalisierter Phage nicht nur ein E. Coli-Bakterium angreift, sondern auch verwandte Bakterienarten wie Salmonella und auch hier Resistenzen transferiert.

Die Ergebnisse sind nicht nur in der Lebensmittelproduktion von Bedeutung, sondern auch in der Medizin und Veterinärmedizin. "Es wäre essenziell zu überprüfen, ob auch in diesen Bereichen Phagen vorhanden sind, die Antibiotika-Resistenzen übertragen können - was ich aufgrund unserer Arbeit sehr stark annehme", sagte Hilbert.

Angesichts den immer häufiger werdenden Resistenzen von Bakterien gegen Antibiotika könnte die Fähigkeit der Phagen zur Resistenz-Übertragung die bisher limitierten Erfolge beim Kampf gegen diese Entwicklung erklären.

Mehr Forschung nötig

In der Lebensmitteltechnologie müsste man zudem überlegen, auf geeignete Desinfektionsmittel zurückzugreifen, um nicht nur Bakterien, sondern auch die deutlich robusteren Phagen zu eliminieren und so die Übertragung von Resistenzen zu vermeiden. Dazu bräuchte es aber auch die entsprechenden Genehmigungen - und noch viel Forschung, "denn über Phagen und deren Resistenzverhalten ist noch wenig bekannt", betonte die Wissenschafterin.

Die Erkenntnisse könnten aber auch bei einer Alternativ-Therapie gegen antibiotikaresistente Keime eine wichtige Rolle spielen. Dabei werden Phagen dazu eingesetzt, die resistenten Bakterien zu bekämpfen. Diese sollten auf jeden Fall auf ihre Fähigkeit geprüft werden, Resistenzgene zu übertragen. "Ansonsten könnte die Kombination von Phagen und multiresistenten Keimen einen gefährlichen Cocktail ergeben", so Hilbert. (APA, 21.5.2015)