Am Geburtstag isst man gerne ein bisschen mehr. Doch dieser Jubilar hat schon immer ordentlich reingehauen: "Pac-Man" feiert heuer seinen 35. Ehrentag. Sein Geburtshaus, der japanische Videospielentwickler Namco, nennt als Releasedatum den 22. Mai 1980 – ein Tag, an dem Gaminggeschichte geschrieben wurde. Die Schöpfung des Designers Toru Iwatani gilt bis heute als eines der bekanntesten Videospiele überhaupt. Der Held ist eine Ikone wie "Super Mario" oder "Sonic the Hedgehog".

Einfach süchtig machend

Sein Erfolg ist aus heutiger Sicht so verwunderlich wie einleuchtend: Das Spiel bietet wie die meisten Klassiker der ersten Stunde keine komplexe Handlung oder ein Fest für Augen und Ohren. Aber das Sucht erzeugende einfach begreifbare Spielprinzip riss weltweit ein Spielhallenpublikum in seinen Bann. Pac-Man vertilgt in einem Labyrinth freudig Punkte. Sind alle Kugeln abgeerntet, geht es zum nächsten Level.

Eine gmaade Wiesn ist das aber nicht: Während sich Pac-Man durch die Gänge nascht, sind ihm vier Geister auf den Fersen. Kommt er mit ihnen in Berührung, verliert der gelbe Held ein Leben. Frisst er dagegen einen der Powerpunkte, kann er kurzzeitig den Spieß umdrehen und die Geister verschlingen. An diesem Ablauf ändert sich von Level zu Level nichts – nur das Tempo steigt.

"Pac-Man" 1980 auf Arcade
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"Pac-Man" 2015 im Film "Pixels"
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Wettlauf der "Wahnsinnigen"

Der Suchtfaktor, der bis heute besteht, ergibt sich hier – ähnlich wie bei "Tetris" – durch das offene Ende: Schluss ist erst, wenn man es selbst verbockt. Aber Pac-Man ist nur in der Theorie, nicht in der Praxis unendlich: Den 256. Level kann man aufgrund eines Programmierfehlers nicht beenden. Die perfekte Partie bedeuten hier daher 3.333.360 Punkte. Für viele bleibt diese Heldentat ein weißer Wal: Jene wenigen Wahnsinnigen, die dazu in der Lage sind, messen sich im Zeitfahren: Der aktuelle Rekord stammt aus dem Jahr 2009. David Race (nomen est omen) schaffte in 3 Stunden, 41 Minuten und 22 Sekunden den bis heute schnellsten perfekten Durchlauf.

Für die ganze Familie

So gierig wie seine Fans, ist auch Pac-Man selbst. Die Fresssucht des Protagonisten gab dem Kind seinen Namen: paku-paku ist japanische Lautmalerei, die das schnelle Öffnen und Schließen des Mundes beschreibt. Aus Pakkuman wurde wegen seiner Hockeypuckform später Puck-Man, den man in den USA dann als Pac-Man benannte, weil hier befürchtet wurde, die Pubertierenden würden ihn auf "Fuck-Man" umtaufen.

Jedoch nicht nur der amerikanische Vertrieb, sondern schon Pac-Mans japanische Väter waren an einem "netten" (sprich: familienfreundlichen) Spiel interessiert. Man wollte mit diesem neuen Genre eine harmlosere Alternative zu Science-Fiction-Ballereien wie "Asteroids" oder "Space Invaders" bieten und dabei neue Spielerschichten erschließen: "Pac-Man" war von Anfang an auch für weibliche Spieler gedacht, die sich aus Sicht der Entwickler nicht für Weltraumschießereien interessierten.

Mit Lippenstift nicht besser

Ausgehend von dieser Prämisse wurde das Spiel entsprechend niedlich designt: So sind zum Beispiel die vier Geister namens Blinky, Pinky, Inky und Clyde recht putzige Gestalten anstatt furchteinflößender Gespenster. Dieser Anbiederung an das weibliche Publikum setzte die Fortsetzung dann noch einen drauf: Als Ms. Pac-Man zeigte das Großmaul plötzlich seine weibliche Seite – mit Lippenstift und rosa Schleife, womit Pac-Mans Frau aber nur die stereotype Kopie ihres Gatten darstellte. Kritische Stimmen aus der Kommunikationswissenschaft verweisen daher zurecht darauf, dass diese platte Feminisierung somit auch zu den Klassikern der sexistischen Gestaltung von weiblichen Spielefiguren gehöre.

"Pac-Man" als Kultobjekt...
Rémi GAILLARD
...und Teil der Wissenschaft.
Rooster Teeth

Ein Stück Kult

"Pac-Man" ist somit nicht nur ein in Ehren ergrautes Werk alter japanischer Meister, sondern längst ein nicht unwesentliches Stück Popkultur, dem unzählige Referenzen in Musik und Film huldigen. Und auch die Hochkultur und die Wissenschaften können nicht von ihm lassen: Das Spiel gehört zu den Beständen des Smithsonian Institutes in Washington und des Museum of Modern Art in New York und zahlreiche kulturwissenschaftliche Aufsätze aus dem Bereich der Game Studies arbeiten sich an diesem Klassiker ab.

In der Informatik und Robotik beschäftigt man sich ebenso immer noch mit dem gelben Punktefresser: So gelang es Wissenschaftern der State University of Washington im vergangenen Jahr, Roboter zu bauen, die sich gegenseitig "Pac-Man" beibringen. Wer demnächst von seinem Staubsauger gebissen wird, weiß dann vermutlich, bei wem er sich bedanken kann. (Johannes Lau, 23.5.2015)