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Angela Merkel auf einem Schild der Pegida-Demonstranten - dank Photoshop trägt sie eine Nazi-Uniform mit Euro-Schleife.

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Es waren Bilder, die bei vielen Deutschen, aber auch im Ausland, zunächst Ratlosigkeit und später auch Angst hervorriefen. Montag für Montag marschierten im Winter Pegida-Anhänger durch Dresden und andere Städte. Sie schwenkten Deutschlandfahnen, wetterten gegen die angeblich drohende Islamisierung des Landes und die "Lügenpresse". 25.000 waren es in der Hochzeit.

Die Politik hoffte, dass der Spuk bald wieder vorbei sein würde. Manche Politiker schmähten die Demonstranten als ahnungslosen, dumpfen und rechtsradikalen Haufen. Dass diese Einordnung auf die meisten der Pegidisten nicht zutrifft, zeigt die erste umfassende Analyse zu Pegida.

Lars Geiges, Stine Marg und Franz Walter vom Göttinger Institut für Demokratieforschung haben sie vorgelegt. Sie befragten 500 Demo-Teilnehmer und beobachteten selbige. Die Ergebnisse sind in "Pegida - Die schmutzige Seite der Zivilgesellschaft?" (transcript-Verlag) zu lesen.

Widersprochen wird zunächst dem Vorurteil der Politikverdrossenheit. "Die Pegida-Anhänger wenden sich nicht frustriert von der Politik ab, sondern setzen sich (einseitig) weiterhin mit gesellschaftlichen Problemlagen auseinander, hatten Vorstellungen, wie Politik in ihren Augen 'besser' gemacht werden könnte und stellten sogar einige Reformvorschläge zur Diskussion", schreiben die Göttinger Politologen in ihrem Buch.

Den typischen Pegida-Demonstranten charakterisieren sie so: Männlich (81,9 Prozent der Teilnehmer), um die 50 Jahre alt, guter Bildungsabschluss, aber weniger guter Verdienst, verheiratet. Auffällig ist die hohe Zahl von Konfessionslosen (77 Prozent).

Für Recht und Ordnung

Auf die Frage, was im politisch-gesellschaftlichen System eine größere Bedeutung haben sollte, erhielten die Wissenschafter vor allem zwei Antworten: Recht und Ordnung (65,4 Prozent der Befragten) sowie "nationale Interessen" (51,2 Prozent). Weniger wichtig sind den Pegida-Anhängern Gleichstellung und Minderheitenschutz. Dafür treten nur 8,7 beziehungsweise 1,4 Prozent ein.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Joachim Gauck genießen bei den Pegida-Anhängern wenig Vertrauen, die Polizei hingegen hohes. Zuletzt ist das Interesse an den Demonstrationen abgeflaut, es kamen in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden nur noch 3000 Menschen.

Über den Sommer wollen die Pegida-Organisatoren pausieren und überlegen, wie es nun weitergehen soll. Am 7. Juni findet in Dresden die Oberbürgermeister-Wahl statt. Für Pegida tritt die Marketingexpertin Tatjana Festerling an.

Diese war früher in der eurokritischen AfD ("Alternative für Deutschland") engagiert, trat aber dann aus, weil sie wegen ihrer radikalen Parolen unerwünscht war. Sie spricht von "Asylantenströmen", die Deutschland angeblich fluten, und schimpft gegen "die dauerbeleidigten, dauerfordernden unverschämten Minderheiten aus islamischen Ländern, die uns mit ihrem Koran und den Sonderrechten auf den Geist gehen". Und gegen die "verkrachten Gender-Tanten mit ihrem überzogenen Sexualscheiß".

Pegida, so die Politologen, sei für viele Menschen "offenbar ein Angebot, um das Gefühl einer 'Ohnmacht' und 'Sprachlosigkeit' überwinden zu können. Diese hätten schon seit Jahren "eine große Unzufriedenheit, ein Bauchgrummeln oder auch ungutes Gefühl" verspürt und seien jetzt selbst überrascht, "wie viele Leute Gott sei Dank genauso denken".

Die "Einheitsfront im schwarz-rot-grünen Parteienestablishment", so steht es im Buch, "dürfte den Stoff für die Proteste der Misstrauischen liefern". Zwar heißen die Autoren die Pegida-Bewegung keineswegs gut, doch sie schreiben auch: "Die Zivilgesellschaft (...) ist nicht allein ein Gewächshaus für löbliche Tugenden der Liberalität, Toleranz und Humanität." Zur Zivilgesellschaft gehöre auch eine "dunkle, schmutzige Seite" mit "pathologischen Ängsten und Aggressionen, soziale und ethnischer Ausgrenzung".

Auch Werner Patzelt, Politologe an der TU Dresden, befasste sich ausführlich mit Pegida. Er kommt in einer Untersuchung zum Schluss, dass die Anhänger am rechten Rand stehen, aber großteils "nicht rechtsradikal" seien.

Sie verstünden sich als "deutsche Patrioten" und wünschten sich weniger Ausländer in Deutschland. 17 Prozent seien "rechtsradikale Xenophobe", die ganz rechts stehen, Gewalt gegen politische Gegner befürworten und keine weiteren Ausländer oder Muslime in Deutschland wollen. Xenophobie sei jedoch nicht bloßer Ausländerhass, sondern Angst vor allem Fremden. (Birgit Baumann aus Berlin, 27.5.2015)