Theaterleiter, Regisseur und Schauspieler Paulus Manker als liebesrasender Oskar Kokoschka.

Foto: Sebastian Kreuzberger

Ausschnitte aus "Alma"-Produktionen in Wien, Venedig, Lissabon, Los Angeles und Berlin.

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Wiener Neustadt - 485 Vorstellungen, elf verschiedene Spielorte auf drei Kontinenten: "Nein, natürlich hab ich damals in Purkersdorf nicht im Traum an so einen Erfolg gedacht", sagt Paulus Manker. "Es hätte ja auch ein totaler Flop werden können." Wurde es nicht. Heuer 20. Geburtstag, nächstes Jahr 500. Vorstellung - ein Ende von Joshua Sobols Alma - A Show Biz ans Ende, das Manker 1996 im Rahmen der Wiener Festwochen im Sanatorium Purkersdorf uraufgeführt hat, ist nicht abzusehen.

Nackt und mit Klobesen im Arsch

Vor vier Jahren, als er mit dem Polydrama über Lieben und Leben der Künstlertochter, Muse und unverbesserlichen Antisemitin Alma Schindler, ihrer mehr oder minder unglücklichen Ehemänner Gustav Mahler, Walter Gropius und Franz Werfel sowie der nicht weniger berühmten Liebhaber Gustav Klimt, Alexander Zemlinsky und Oskar Kokoschka in Prag gastierte, ließ Manker wissen: In Wien werde er nur dann wieder auftreten, "wenn der Stadtrat auf allen vieren angekrochen kommt, nackt und mit einem Klobesen im Arsch".

Umgerechnet sechs Euro pro Karte habe er über 15 Jahre bekommen, während die Vereinigten Bühnen mit 220 Euro pro Karte subventioniert würden. Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll, dem Manker bei einer Feier zum 90. Geburtstag seiner Mutter Hilde Sochor sein Leid klagte, habe gesagt: "Kommen S' nach Niederösterreich. Wir machen das schon." Über konkrete Summen schweigt Manker: "Es reicht, dass wir ohne Probleme arbeiten können."

Aufführungen im Palazzo, Kloster und Gefängnis

Die Niederösterreicher sind auskunftsfreudiger. Das Land subventioniert die Aufführung mit 70.000 Euro, denn "Alma ist eine der ungewöhnlichsten und meistbejubelten Theaterproduktionen Österreichs. Das enorme Interesse für die Inszenierung von Paulus Manker bei Zuschauern und Medien ist auch nach zwei Jahrzehnten ungebrochen", so Pröll.

"Das Stück Alma besteht aus fünfzehn Schauspielern und einem Star: dem Gebäude", hieß es schon 1996, als Manker quer durch das stillgelegte Sanatorium Purkersdorf und den dazugehörigen Park inszenierte. Später wurde in Los Angeles in einem von Charlie Chaplin erbauten Filmpalast gespielt, in Venedig in einem alten Palazzo, in Lissabon in einem Kloster, in Jerusalem im ehemaligen Zentralgefängnis der britischen Mandatsverwaltung. Zwischendurch kehrte man nach Österreich zurück, gastierte im Kurhaus am Semmering oder auch im ehemaligen Wiener k. u. k. Post- und Telegrafenamt.

Vorigen Sommer wurde Alma in der Wiener Neustädter Roigkhalle sesshaft. Der Besitzer, der Kunstmäzen Christan Blazek, stellt sie Manker kostenlos zur Verfügung. In der Roigkhalle und den Nebengebäuden beginnen im Juni auch die Proben zu Karl Kraus' Die letzten Tage der Menschheit, Mankers nächstem Mammutprojekt. Erste Zwischenprobenergebnisse werden, vielleicht, im August zu sehen sein.

Schaurige Residenz für Alma

Kunst, um ein Gebäude neu zu definieren, ohne die Geschichte zu verdrängen: Die im Volksmund als "Serbenhalle" bekannte Roigkhalle ist ein architektonisch großartiges, historisch allerdings schwer belastetes Industriedenkmal (nachzulesen im Programmheft und auf der Homepage).

Die 300 Meter lange und 35 Meter hohe ehemalige Raxwerkhalle wurde 1942 von den Nazis in Serbien erbeutet, in 400 Eisenbahnwagons nach Wiener Neustadt gebracht und zur Mauthausen-Außenstelle umfunktioniert, wo Waffen produziert und politische Häftlinge zur Zwangsarbeit missbraucht wurden: eine geradezu schaurig-passende Residenz für Alma Schindler-Mahler-Werfel-Gropius, die von Marietta Torberg einmal als "große Dame und gleichzeitig eine Kloake" charakterisiert wurde. (Andrea Schurian, 28.5.2015)