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Eine Plakette zu Ehren von Sepp Blatter gegenüber dem Fifa-Hauptquartier in der Schweiz.

Foto: AP Photo/Michael Probst

Neben korrupt ist es vor allem ein Adjektiv, das im Zusammenhang mit Joseph Blatter besonders häufig fällt: mächtig. Der mächtige Präsident, der mächtige Schweizer, der mächtige Sepp. Angesichts der aktuellen Entwicklungen sollte man endlich ein "ohn" voranstellen. Unmittelbar vor seiner neuerlichen Wiederwahl, die nur eine Formsache schien, haben US-amerikanische und Schweizer Behörden zu einem gemeinsamen schweren Schlag gegen den Fußball-Weltverband - und somit gegen Blatter - ausgeholt.

Insgesamt sieben Personen, aktuelle oder ehemalige hochrangige Fußball-Funktionäre, wurden in Zürich festgenommen, unter ihnen die Fifa-Vizepräsidenten Jeffrey Webb von den Cayman Islands und Eugenio Figueredo, der Präsident des uruguayischen Verbands. Die Vorwürfe der US-Justiz - organisiertes Verbrechen, Betrug, Geldwäsche, Bestechung - betreffen vor allem Verbände in Nord-, Zentral- und Südamerika sowie der Karibik. Zu den Festgenommenen, deren flotte Auslieferung die USA begehren, zählen auch die amtierenden Präsidenten der Verbände Venezuelas, Costa Ricas und Nicaraguas. Ihnen drohen Haftstrafen von bis zu 20 Jahren. Das US-Justizministerium geht auch davon aus, dass bei WM-Vergaben sowie bei der Fifa-Präsidentschaftswahl 2011 illegal Gelder flossen.

Für alle An- und Abgeführten gilt die Unschuldsvermutung. Blatter gab immer schon die Unschuld in Person und überstand noch jeden Skandal. Kein Wunder, dass sich Sylvia Schenk, die bei Transparency International die Arbeitsgruppe Sport leitet, vorstellen kann, die Krise könnte Blatter stärken. "Viele Delegierte könnten sich nach einem sehnen, der weiß, wie er die Fifa zu führen hat." Weiß Blatter das wirklich? Zweifel sind angebracht. Wenn sonst alles von ihm abprallt, so muss er sich spätestens jetzt den Vorwurf der Führungsschwäche gefallen lassen. Sie hat ein Ausmaß erreicht, das die Fifa nicht länger aushalten kann.

Ein Chef, der eine Führungsriege aufbaut oder zulässt, unter der sein Unternehmen verkommt, wie seit Jahren schon Skandale (samt Verurteilungen) belegen, ist ein schwacher, ein schlechter Chef. Blatter hat sich nach den WM-Vergaben für 2018 und 2022 damit abgeputzt, er selbst habe Russland und Katar als Gastgeber nicht forciert. Goutiert hat er sie sehr wohl, kutschiert wurde er auch. Schwacher, schlechter Chef.

Am Mittwoch hielt die Fifa-Führung an der für Freitag geplanten Wahl fest. Blatter, der schon jüngst bei Pressekonferenzen nicht mehr wusste, wie er mit kritischen Fragen umgehen sollte, hatte nicht den Mumm, sich selbst zu stellen, sondern schickte einen Fifa-Sprecher vor. Schwacher Chef. Er versucht es noch als seinen Erfolg zu verkaufen, dass in seinem engsten Umfeld auf Teufel komm raus verhaftet wird. Schlechter Chef.

Jemand mit dieser Chuzpe macht den Weg nicht von sich aus frei. Der europäische Verband (Uefa) wäre gefragt, die Landesverbände (Deutschland, Spanien, Italien, England, Frankreich, Niederlande) wären gefragt, eine fünfte Amtszeit Blatters nicht zuzulassen. Zweifel sind angebracht. Kaum vorstellbar, was der seit 1998 wirkende Blatter (79) in vier weiteren Jahren anrichten und welchen Nachfolger er aufbauen würde. Gegenkandidat ist allein der jordanische Prinz Ali bin Al Hussein. Mag sein, keine sehr starke Alternative. Aber er ist die einzige. Ansonsten hält die Ohnmacht an. (Fritz Neumann, 27.5.2015)