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Rechtspremier Borissow soll Roma-Häuser abreißen lassen.

Foto: EPA/STEPHANIE LECOCQ

Sofia/Athen – Gewalttätige Zusammenstöße zwischen ethnischen Bulgaren und Angehörigen der Roma-Minderheit in einem Dorf im Südwesten des Landes belasten nun den Zusammenhalt der Mehrparteienkoalition in Sofia. Der Führer der rechtsnationalistischen Patriotischen Front, Waleri Simeonow, hat Regierungschef Boiko Borissow ein Ultimatum bis 1. Juli zur Erfüllung eines Katalogs von Forderungen gestellt. An oberster Stelle steht dabei die sofortige Zerstörung aller illegal errichteten Häuser im Roma-Viertel des Dorfes Garmen.

Dort wurden sieben Bewohner verletzt, als Roma und Bulgaren am vergangenen Wochenende mit Hacken und Äxten aufeinander losgingen. Die Polizei hält seither die beiden Volksgruppen auseinander. Für kommenden Dienstag haben die Bulgaren in dem Dorf und im weiteren Umkreis einen Massenprotest gegen die Roma angekündigt. Garmen liegt eine halbe Autostunde von der griechischen Grenze entfernt.

Ein großer Teil der "Zigeuner" habe gelernt zu sagen, "ich habe keine Arbeit, also stehle ich. Ich habe kein Brot, also töte ich", sagte Simeonow diese Woche in einem Interview mit der bulgarischen Nachrichtenagentur Fokus. Regierungen im EU-Land Bulgarien werden seit 2009 von rechtsextremen oder rechtsnationalistischen Kräften mitgetragen.

Die Patriotische Front, aber auch der rechtsliberale Reformerblock, der mit sieben Ministern an der Regierung beteiligt ist, hat aber eigentlich die andere Minderheit im Land im Blick - die türkischstämmigen Bulgaren und deren bevorzugte politische Vertretung, die Wirtschaftspartei DPS. Ihr gehört auch der Oligarch Deljan Peewski an, dessen kurzzeitige Wahl zum Geheimdienstchef im Sommer 2013 monatelange Straßenproteste und schließlich den Sturz der damaligen Koalitionsregierung von Sozialisten und DPS nach sich zog.

Dauervorwurf Stimmenkauf

Der DPS wird seit Jahren vorgeworfen, jene Partei zu sein, die bei Wahlen am meisten Stimmen unter den Roma kauft und sich dadurch ihre Macht im Land sichert. Auch das Dorf Garmen wird von einer DPS-Bürgermeisterin vertreten. Die DPS trichtere den "Zigeunern" ein, dass sie nur Rechte hätten, erklärte Simeonow in dem Interview mit Fokus, sie habe die Roma zu "perfekten Parasiten unserer Gesellschaft" gemacht. Die Roma-Gettos in Bulgarien würden absichtlich geduldet, behauptete der Vorsitzende des Reformerblocks, Radowan Kanew; "Diese Lebensweise der Roma-Gemeinschaft wird politisch unterstützt, denn nur ungebildete und sozial in Not gebrachte Menschen neigen leicht dazu, ihre Stimmen bei Wahlen zu verkaufen." Im Oktober stehen in Bulgarien wieder Kommunalwahlen an.

Die Patriotische Front hat Regierungschef Borissow bereits vergangenen November mit dem Entzug der Unterstützung gedroht, als ein Vertreter der türkisch-stämmigen Volksgruppe den Posten eines Vizeverteidigungsministers erhielt. Borissow, der bekannt dafür ist, Probleme auszusitzen oder nötigenfalls abrupt seine Ansicht zu ändern, dürfte nun auch diese Krise meistern. Die ethnisch-politischen Spannungen fallen allerdings in eine Zeit, wo die bulgarische Regierung erstmals zu einer bedeutenden Reform des Justizwesens ansetzt.

Verfassungsänderung geplant

Dabei geht es vor allem um die Teilung des immer wieder von Korruptionsskandalen erschütterten obersten Selbstverwaltungsorgan der Judikative in einen Rat der Richter und einen Rat der Staatsanwälte. Dafür muss die bulgarische Verfassung geändert werden. 132 Abgeordnete stützen bisher die geplanten Änderungen, mindestens 160 Stimmen sind jedoch notwendig. Sie könnten von einigen Sozialisten kommen.

Der Abriss der Roma-Siedlung im Dorf Garmen, wie ihn sich die Patriotische Front vorstellt, wird sich derweil nicht so leicht gestalten: Bulgarischen Medienberichten zufolge ist zumindest ein Teil der Häuser im Roma-Viertel von Garmen aus EU-Mitteln gebaut worden. Baugenehmigungen gab es, soll das Innenministerium in Sofia festgestellt haben. (Markus Bernath, 29.5.2015)