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Eine antike Zeichnung eines Hundes in Südkorea: Manche Hunderassen werden geliebt, andere gegessen.

Foto: Reuters

Wenn Kelly O'Meara alle paar Monate von Washington nach Seoul fliegt, tut sie nichts anderes, als eine Hundefarm nach der anderen abzuklappern. Denn was die US-amerikanische Tierschützerin dort zu sehen bekommt, lässt sie keine Ruhe finden: Wenige Monate alte Hunde, eingesperrt in dreckige Gitterkäfige, die so klein sind, dass sich die Tiere kaum um die eigene Achse drehen können. O'Meara versucht stets mit den Züchtern ins Gespräch zu kommen. Meist wird sie von ihnen verscheucht, doch manchmal landet sie auch einen Coup.

Anfang des Jahres etwa gelang es der Leiterin der Humane International Society, einen einsichtigen Landwirt zu überreden, seine Farm am Stadtrand Seouls auf Heidelbeeren umzusatteln. Rund 2300 Euro zahlte sie dem Südkoreaner dafür und befreite dadurch 23 Hunde, die nun im US-Bundesstaat Virginia ein neues Zuhause gefunden haben. Für O'Meara ist das freilich nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Jedes Jahr werden in Südkorea bis zu 200.000 Hunde verspeist. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung hat zumindest einmal im Leben davon gekostet, doch gleichzeitig brechen immer mehr junge Koreaner mit der Tradition - auch wenn diese tief in der Kultur des Landes verwurzelt ist.

Konfuzianische Tradition

Seit mindestens 2000 Jahren werden auf der Koreanischen Halbinsel bereits Hunde verspeist, das hat mit der konfuzianischen Tradition des Landes zu tun. Der chinesische Gelehrte teilte die Tierart in Jagd-, Wach- und Zuchthunde ein. Von jeher sagte man dem Hundefleisch auch eine medizinische Wirkung nach: Bei Männern soll es aphrodisierend wirken und die Bauern auf dem Feld gegen die erdrückende Sommerhitze wappnen.

Für Kang Dae-in ist das koreanische Leibgericht vor allem eines: ganz besonders bekömmlich, da das Fleisch ungesättigte Fettsäuren enthalte und nur wenig Cholesterin. Der 58-Jährige steht vorm Eingang seines Hunderestaurants, eine Wellblechhütte am Ende einer verwinkelten Steintreppe, und zieht an einer Zigarette. Seine Frau bereitet gerade das Mittagsgeschäft vor, es gibt wie immer in Brühe gekochtes Hundefleisch. Bis zu 120 Kilogramm servieren die Kangs ihren Kunden pro Woche, seit 50 Jahren leiten sie ihr Restaurant, mittlerweile in zweiter Generation.

Die rechtliche Situation für Restaurantbesitzer wie Kang ist geradezu schizophren: So werden Hunde vom südkoreanischen Landwirtschaftsministerium als Nutztiere gelistet, was vom Gesetz jedoch nicht anerkannt ist. Viele Experten argumentieren, dass es zwar legal sei, Hunde für den Verzehr zu züchten und zu schlachten, der Prozess der Weiterverarbeitung als Nahrungsmittel wiederum sei verboten. Diese Grauzone würde zu einer grausamen Industrie ohne ethische Standards führen, argumentieren einheimische und internationale Tierschützer.

Missstände nicht vergleichen

Doch wieso gehen die Wogen bei Hundefleisch hoch, während der Verzehr von Rind- und Schweinefleisch im westlichen Ausland sozial weitgehend akzeptiert ist? "Einen Missstand mit einem anderen zu vergleichen ist kein Argument", meint Stephen Bant. Der Wahlkoreaner gilt als einer der erbittertsten Gegner der Hundefleischindustrie. Für ihn haben Vierbeiner nun mal einen ganz besonderen Status für die Menschen, der sich in mehr als 20 Jahrtausenden Evolutionsgeschichte entwickelt hat. So lange nämlich liegen die ersten Domestizierungsversuche von Wölfen zurück. "Außerdem darf man nicht die spezifischen Misshandlungen ignorieren, denen nur Hunde in Korea ausgesetzt sind", sagt er.

Immer wieder berichten NGOs von Fällen, in denen ausgesetzte Haustiere auf Hundefarmen landen. Sie prangern Züchter an, die die Stimmbänder ihrer Hunde durchschneiden, um Lärmklagen von Anwohnern zu vermeiden. Und sie veröffentlichen Videos, auf denen die Tiere bei lebendigem Leib auf Haken aufhängt und mit Holzstöcken getötet werden. Angeblich soll das Fleisch besonders zart schmecken, wenn der Hund kurz vor seinem Tod große Mengen Adrenalin ausschüttet.

Kampagne in den 80er-Jahren

"Ach was, das passiert schon seit den frühen Siebzigern nicht mehr", sagt Kang. Seine Kunden sind hauptsächlich Männer in der zweiten Lebenshälfte. Die Jugend des Landes verschmäht in aller Regel Kangs Gerichte.

Das hat auch mit einer gebürtigen Inzersdorferin zu: Franziska Donner war Ehefrau des ersten südkoreanischen Präsidenten Rhee Syng-man und gilt als erste prominente Kritikerin des Hundekonsums. Ihre Anstrengungen gingen jedoch in den Wirren des Koreakriegs unter, als Hundefleisch in Zeiten von Hungersnöten eine wertvolle Proteinquelle war.

Erst in den 80ern flammte die Kritik wieder auf, diesmal unter der Leitung von Brigitte Bardot. Die französische Schauspielerin startete anlässlich der Olympischen Spiele in Seoul 1988 eine Kampagne gegen die Hundefleischindustrie, und die Regierung setzte alles daran, Negativschlagzeilen der ausländischen Presse zu vermeiden. Restaurantbesitzer Kang musste während der Olympischen Spiele das Schild vor seinem Lokal abnehmen und ließ nur mehr Stammkunden hinein. Zu groß war die Gefahr, Probleme mit der Polizei zu bekommen. Wirklich verstehen konnte er die Aufregung nicht: "Das sind doch verschiedene Dinge: ob man einen Hund als Haustier hält oder gezielt für den Verzehr züchtet". (Fabian Kretschmer aus Seoul, 31.5.2015)