Fallschirmspringen mit der Oculus Rift..

Martin Wendel/derStandard.at

.. war beim Pioneers Festival möglich.

Martin Wendel/derStandard.at

15.000 Meter über Wien, mit der Zehenspitze an der Luke eines Flugzeuges und den Fallschirm am Rücken geschnallt. Dieses virtuelle Szenario können Besucher des Pioneers Festivals in der Wiener Hofburg erleben – oder besser gesagt konnten. Bereits gestern waren die verfügbaren Slots des Fallschirmsprung-Simulators "Jumpcube" der TU Wien rasch ausgebucht, ähnlich verhielt es sich auch am zweiten Veranstaltungstag. Der WebStandard wagte den Sprung aus der virtuellen Höhe – während man in Realität nur knapp über dem Boden von einer aufwendigen Seilkonstruktion gehalten wird.

Vorbereitung

Vor dem Sprung muss aber erst einmal ein Brustharnisch angelegt werden, an dem die Seile befestigt werden. Ursprünglich sollte dafür eine kugelsichere Weste zum Einsatz kommen, verrät Projektleiter Dr. Horst Eidenberger vom Institut für Softwaretechnik und interaktive Systeme. Aufgrund der Belastung entschied man sich dann doch für eine Maßanfertigung. Die Produktion eines Brustharnisches kostet rund 900 Euro, zwei davon ließ man anfertigen. Hätte das Team noch einen dritten, könnte die Kapazität auf neun Fallschirmsprünge pro Stunde angehoben werden, so Dr. Eidenberger.

Oculus Rift

Ist dann erst einmal alles festgeschnallt und festgezurrt, bekommt man noch Kopfhörer und die zweite Entwicklerversion der Virtual-Reality-Brille Oculus Rift aufgesetzt. Von einem Moment auf den anderen befindet man sich dann nicht mehr in der Wiener Hofburg, sondern in der Luft 15.000 Meter darüber. Sobald das Licht neben der Flugzeug-Luke von rot auf grün wechselt, heißt es "Absprung!" und man stürzt sich in den virtuellen freien Fall. Ein gewisses Vertrauen in die Konstruktion des Fallschirmsprung-Simulators wird dabei vorausgesetzt.

Gehirn wird ausgetrickst

Denn so selbstverständlich wie beim Jumpcube springt man sonst nicht kopfüber von einer Plattform – außer vielleicht im Schwimmbad. Die Oculus Rift dürfte trotz des Virtual-Reality-Gefühls das menschliche Gehirn ganz gut austricksen. Zwar befindet man sich tatsächlich nur etwa einen halben Meter bis Meter über dem Boden, eine weiche Sicherheitsmatte – sollte es doch einen Fehler geben – gibt es noch nicht. Solche Sorgen stellten sich aber letztendlich gar nicht erst ein. Das Studenten-Team kümmert sich der sorgfältig um die virtuellen Fallschirmspringer, die Seilkonstruktion hält theoretisch mehrere Tonnen aus.

Virtueller freier Fall

Anschließend beginnt der freie Fall, der passend zum 200-jährigen Jubiläum der TU Wien mit kurzen Highlights aus der Geschichte der Universität angereichert ist. Beim Fall durch Wolken wird über die Ventilatoren, die trotz der geringen Intensität überraschend viel zur Authentizität beitragen, Wasser in das Gesicht der Fallschirmspringer gesprüht. Derzeit passiert das noch händisch, an einer Automatik wird aber gearbeitet. Auch über Gerüche soll in Zukunft die Wahrnehmung zusätzlich ausgetrickst werden – etwa über eine Simulation der Abgase von vorbeifliegenden Flugzeugen.

Vorbei am Stephansdom zum Karlsplatz

Zum Ende hin öffnet sich der Fallschirm und man wird ruckartig in eine aufrechte Position gebracht. Besonders beeindruckend ist dabei die letzte Phase des Fallschirmsprunges gestaltet. Man schwebt über ein realitätsgetreues aber dafür nicht allzu detailreiches Abbild der Stadt Wien. Die Daten dafür wurden vom Amt für Stadtvermessung (MA41) zur Verfügung gestellt. Über den Stephansplatz geht es dann zum Karlsplatz, bevor man in den Kuppelsaal der TU Wien schwebt und von einem virtuellen Abbild der Rektorin Dr. Sabine Seidler begrüßt wird.

Raumflug- und Tauchsimulation

Dr. Eidenberger stellt bereits neue Simulationen in Aussicht: Ein virtueller Flug zum Mars und eine Tauchsimulation sind angedacht. Derzeit arbeitet das Team dafür an einem Tracking-System für die Erkennung von Arm- und Beinbewegungen. Bisher wurde unter anderem Microsoft Kinect getestet, aufgrund der hohen Verzögerung will man nun aber andere Methoden testen. Auf den Armen und Beinen sollen farbige Bälle angebracht werden, die dann über eine Kamera einzeln erfasst und verfolgt werden können.

Einer der wenigen Fallschirmsimulatoren

Auf die Idee für den Jumpcube kam Dr. Eidenberger im letzten August. Er berichtet, dass er immer schon einen Fallschirmsprung machen wollte, ihm als Familienvater das Risiko aber zu groß sei. Fast schon im Eiltempo wurde in den Monaten darauf der Jumpcube entwickelt und gebaut. Besonders stolz ist der TU-Professor darauf, dass es weltweit so gut wie keine vergleichbaren Simulatoren gibt. Die britische Armee habe zwar einen Fallschirmsprung-Simulator entwickelt, dieser koste aber knapp eine halbe Million Pfund, erzählt er.

Kosten schwer zu beziffern

Die TU-Entwicklung war zwar deutlich günstiger, die Kosten des Jumpcube zu beziffern sei aber sehr schwer. Das Stahlgerüst wurde von Waagner Biro Stahlbau gespendet und kostete in der Produktion rund 10.000 Euro, auf einen ähnlichen Betrag kam das restliche Material – Hardware, Seile, Karabiner und mehr. Kaum bewerten lassen sich die zahlreichen Arbeitsstunden, die Dr. Eidenberger und seine engagierten Studenten, die auch in ihrer Freizeit mit Begeisterung an dem Projekt arbeiten, in "Jumpy" gesteckt haben, wie sie den Simulator intern nennen.

Aufwändiger Auf- und Abbau

In den nächsten Monaten sind einige weitere Auftritte des Jumpcube geplant. Der Auf- und Abbau gestaltet sich dabei als recht aufwendig und erfordert jeweils mehrere Arbeitsstunden. Üblicherweise ist der Simulator am Arsenal der TU Wien aufgestellt, aber auch Besucher der langen Nacht der Museen und weiterer Veranstaltungen sollen den virtuellen Fallschirmsprung bald testen können. (Martin Wendel, 30.5.2015)