Brüssel - Vor einem "Horrorszenario" der für Arbeitnehmer deutlich schlechteren Bedingungen durch Ich-AGs in der EU warnte am Dienstag der Vorsitzende der Baugewerkschaft Josef Muchitsch in Brüssel. Die EU-Kommission müsse das Projekt der "Ein-Personen-GmbH" stoppen. Schlupflöcher für Briefkastenfirmen und damit verbunden dem Abbau von Arbeitnehmerschutz müssten verhindert werden.

Es dürfe nicht im Gegenteil zu einer Öffnung solcher für Arbeitnehmer unfairer Praktiken und einer schleichenden Aushöhlung von Mitbestimmungsrechten kommen. Oliver Röpke vom europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss sagte, derartige Ich-AGs seien eine "Einladung zur Gründung von Briefkasten- und Scheinfirmen". Es würde damit grenzüberschreitendes Lohndumping und ein unfairer Wettbewerb nochmals deutlich verschärft.

Derartige Ich-AGs mit einem Stammkapital von lediglich mindestens einem Euro, die "vom Sofa aus gegründet" werden könnten, könnten sich in jedem Land Europas eintragen lassen, aber müssten dort nicht tätig sein. Außerdem gebe es keine Größenbeschränkung. Es dürfe zwar nur ein Gesellschafter sein, aber "der kann sehr viele Arbeitnehmer haben". So könnte eine Ich-AG mit 800 Mitarbeitern beispielsweise in Österreich tätig sein, aber der Sitz in Warschau oder Bukarest eingetragen sein. "Damit gilt polnisches oder rumänisches Mitbestimmungsrecht. Wir hätten de facto keinerlei Mitbestimmungsrecht in der Gesellschaft."

Fehlende Mitbestimmungsrechte

In Deutschland würden bereits 200.000 Arbeitnehmer keine solchen Mitbestimmungsrechte mehr genießen, obwohl diese ihnen nach deutschem Recht zustehen würden, weil auf ausländische schlechtere Rechtsformen zurückgegriffen werde. Auf Österreich umgesetzt könnte das mit dem Faktor 10:1 umgelegt werden, so Röpke.

Muchitsch betonte, dass nicht nur die Gewerkschaft, sondern auch die Unternehmen, vor allem KMU, gegen die Ein-Personen-GmbH seien. Lediglich Industrievertreter, "für die das Instrument gar nicht gedacht ist", seien dafür.

Er befürchte jedenfalls eine "Flut an Ich-AGs". Als Beispiel nannte Muchitsch einen Notar in Wien, der mit 40 Vollmachten zum Gewerbereferat pilgere und 40 Trockenbauer als Unternehmer anmelde. "Die haben keine Qualitätsprüfung, keine Kriterien. Wir wissen, dass wir die auf den Baustellen als Scheinselbstständige erwischen." Deswegen, so Muchitsch, müssten für Arbeitgeber bei mehrfacher Unterentlohnung der Arbeitnehmer befristete Arbeitsverbote ausgesprochen werden können. Allerdings sei dies nur dann sinnvoll, wenn dies in allen EU-Staaten geschehe. Es helfe nichts, wenn nur Österreich ein "dubioses Unternehmen für zwölf Monate bei öffentlichen Ausschreibungen ausschließt, aber in anderen EU-Ländern kann der munter weiter seine unfairen Praktiken anbieten". (APA, 2.6.2015)