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Niessl und Tschürtz wollen eine Koalition, hier am Mittwoch in Eisenstadt.
In Eisenstadt machen wenige Tage nach der Landtagswahl am Sonntag zwei Parteien Ernst: Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) und der burgenländische FPÖ-Chef Johann Tschürtz haben am Mittwochabend eine "Gemeinsame Erklärung" abgegeben. Niessl und Tschürtz haben bereits sondiert und treten nun in konkrete Koalitionsverhandlungen. Das Burgenland steht also vor einer rot-blauen Regierung, die erste offiziellen Koalitionsgespräche erfolgten noch am Mittwochabend.
Faymann vorab informiert
Bundeskanzler Werner Faymann wurde nach Informationen des STANDARD über diesen Schritt von Niessl vorinformiert. Tschürtz hatte offenbar auch mit ÖVP-Chef Franz Steindl verhandelt, sowohl die SPÖ als auch die ÖVP hatten sich im Burgenland bereit gezeigt, mit der FPÖ in eine Koalition zu treten. Die Chancen, dass es nun demnächst eine rot-blaue Landesregierung, sind nicht bloß groß; sie sind quasi eine Bank. Am Wochenende könnte die Koalition vielleicht schon stehen, hieß es aus Niessls Büro.
Mit recht zufriedenen Gesichtern traten am Abend Niessl und Tschürtz vor die Kameras und ließen wissen, dass sie einander mögen.
"Haben Wahlergebnis verstanden"
"Wir haben vonseiten der Sozialdemokratie das Wahlergebnis verstanden. Die Menschen haben der Koalition doch deutliche Verluste beschert. Diese Verluste sind sehr ernst zu nehmen", sagte Niessl.
Die SPÖ habe bei den Wahlen sechs Prozent verloren. "Wir sind mit Abstand die stärkste Partei mit 42 Prozent im Burgenland", so Niessl. Die Freiheitlichen hätten "am meisten dazugewonnen".
Er finde es "auch aus demokratischer Sicht gut", dass die stimmenstärkste Partei den Landeshauptmann stelle "und dass jene Partei, die dazugewonnen hat, eben auch in der Koalition vertreten ist. Das ist "ein demokratiepolitisch doch nachvollziehbarer Vorgang", so Niessl.
"Keine Parallelverhandlungen"
Er sei "sehr optimistisch, dass diese Gespräche auch ergebnisorientiert enden". "Wir wissen, dass wir völlig neue Wege beschreiten", so Niessl. Doch die Gespräche und die "immer wieder von gegenseitigem Respekt" gekennzeichnete Kommunikation in den vergangenen Wochen hätten gezeigt, "dass es auch das entsprechende Vertrauen gibt."
Man habe auch vereinbart, dass es "ab sofort keine Parallelverhandlungen gibt - weder von der Sozialdemokratie, noch von den Freiheitlichen". Und der amtierende SP-Landeshauptmann stellte auch klar: "In den zentralen Punkten gibt es mit der FPÖ auch die Übereinstimmung."
Rückendeckung von Strache
Von FPÖ-Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache gebe es "Rückendeckung", er sei "vollstens damit einverstanden", dass man mit der SPÖ Verhandlungen führe, sagte Tschürtz. Das FPÖ-Landesparteipräsidium habe sich "einstimmig dafür ausgesprochen, dass wir in Verhandlungen mit den Sozialdemokraten gehen werden."
Eine Dreierkoalition von ÖVP, FPÖ und Liste Burgenland gegen die SPÖ, die bei der Wahl am Sonntag auf 41,9 Prozent gekommen ist, ist Niessl mit seiner Offensive jetzt entgegengetreten. Die FPÖ kam bei der Wahl auf 15 Prozent.
Kein Kommentar von Faymann
Faymann wollte sich am Donnerstag nicht dazu äußern, das Kanzleramt verwies aber auf die Aussage vor wenigen Tagen, wonach es den Landesorganisationen freigestellt sei, mit wem sie eine Koalition eingehen. Faymann habe das zu respektieren, Niessl werde seine Entscheidung wohl begründen.
Kritik innerhalb der SPÖ
In der SPÖ rumort es nach dieser Ankündigung in Eisenstadt gewaltig, insbesondere die Wiener Genossen sind stinksauer, da eine Koalition mit der FPÖ auf Landesebene den Wahlkampf in Wien gegen die Strache-FPÖ umso schwieriger mache. Noch wollen SPÖ-Funktionäre auf Niessl einwirken, von seinem Vorhaben Abstand zu nehmen. Die sozialdemokratischen Jugendorganisationen haben das Vorgehen Niessl scharf kritisiert.
Steindl: Niessl opfert sozialdemokratische Grundwerte
Auch der burgenländische ÖVP-Chef Franz Steindl zeigte sich in einer ersten Reaktion nicht erfreut: "Die SPÖ opfert ihre sozialdemokratischen Grundwerte offensichtlich auf dem Altar der Machterhalts. Ab jetzt entscheidet H. C. Strache über die Zukunft des Burgenlandes."
Bundesparteitagsbeschluss gegen Rot-Blau
Sollte sich die SPÖ im Burgenland tatsächlich zu einer Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen entschließen, geschähe dies in klarem Widerspruch zu gleich zwei Beschlüssen des SP-Bundesparteitags. Laut jenem aus dem Jahr 2004 darf es "keine Koalition mit einer rechtspopulistischen FPÖ" geben. 2014 wurde die Ablehnung "auf allen politischen Ebenen" bekräftigt.
In dem jüngeren Antrag - eingebracht von der Jungen Generation am 43. Ordentlichen Bundesparteitag am 28. und 29. November 2014 - wird die FPÖ als "rechtsextreme Partei" bezeichnet. Sie schaffe "durch irrationale Schuldzuweisungen fiktive Zusammenhänge und Feindbilder, die Menschen diskriminieren, verhetzen und so einen tiefen Keil in die Gesellschaft und die soziale Struktur treiben". Verwiesen wird auch auf die Vernetzung mit der "radikalen Rechten" in Europa.
"Als Sozialdemokratische Partei ist es unsere antifaschistische Aufgabe, klar gegen diese Entwicklung und FPÖ-Verhetzung Stellung zu beziehen, uns in keinem Fall auf eine Kooperation einzulassen und die Fehlerhaftigkeit und Kurzschlüssigkeit in der FPÖ-Argumentation aufzuzeigen", heißt es.
"Gegen Koalition"
Der entsprechende Beschluss: "Die SPÖ spricht sich klar gegen eine Koalition mit der FPÖ auf allen politischen Ebenen aus."
Einen ersten Beschluss hatte es bereits am 30. November 2004 beim 38. Ordentlichen Parteitag gegeben, damals vor dem Hintergrund der parteiintern höchst umstrittenen Kärntner "Chianti-Koaliton" von SP-Landesparteichef Peter Ambrozy mit Jörg Haiders FPÖ. "Keine Koalition mit einer rechtspopulistischen FPÖ", lautete damals der Beschluss auf Antrag der Sozialistischen Jugend (SJ), in dem von einem "Sündenfall Kärnten" die Rede ist.
Es sei "ein beinahe törichter Irrglaube, davon auszugehen, dass diejenigen, die sich enttäuscht von der SPÖ in Richtung FPÖ abgewandt haben, nur deswegen zu uns zurückkehren, weil manche in der SPÖ mit der FPÖ paktieren wollen", hieß es in der Antragsbegründung. "Unklare Positionierungen untergraben das Vertrauen in unsere Partei und treiben viele, nicht nur jüngere, direkt in die Arme anderer Parteien."
Niessl zum Bundesparteitagsbeschluss
In der ATV-Sendung "Im Klartext" erklärte Hans Niessl vor der Landtagswahl, warum der Bundesparteitagsbeschluss für ihn nicht gültig sei: "Der Bundesparteibeschluss ist mir auf Bundesebene wichtig, der Landesparteibeschluss ist mir auf Landesebene sehr wichtig."
(völ, wei, ras, seb APA, 3.6.2015)