"Die Aggressionen gegen die freie Meinungsäußerung nehmen täglich zu": Elides Rojas, Vize-Chefredakteur der venezolanischen Tageszeitung "El Universal".

Foto: Alexandra Föderl-Schmid

Elides Rojas nutzte das Vorbereitungstreffen für den EU-Lateinamerika-Gipfel für einen Hilferuf. Der stellvertretende Chefredakteur der Zeitung "El Universal" aus Venezuela bat um Unterstützung: 25 Prozent der Medien seines Landes hätten in den vergangenen Monaten ihr Erscheinen einstellen müssen, weil sie zu wenig Papier zum Drucken oder zu geringe Einnahmen zum Überleben gehabt hätten, sagte Rojas.

Medien im Überlebensmodus

Er ersuchte seine Kollegen um finanzielle Hilfe, damit die regierungskritischen Medien weiterarbeiten können – trotz Bedrohungen durch die Regierung. "Die Aggressionen gegen die freie Meinungsäußerung nehmen täglich zu", erklärte Rojas. "Wir sind in einem Überlebensmodus. Die Frage ist, wie lange wir durchhalten."

Die Uno habe bereits Besorgnis geäußert über die Einschränkungen der Pressefreiheit. Viele Journalisten seien inzwischen müde, ihre Arbeit in einem Klima der Autorität und Kontrolle verrichten zu müssen. Dies sei für die Demokratie gefährlich. Den europäischen Medien machte er Vorhaltungen, sie würden sich nicht vor Ort erkundigen: Man wolle offenbar nicht wissen, was in Venezuela tatsächlich geschehe. Er regte eine Zusammenarbeit an, um über Menschenrechtsverletzungen innerhalb und außerhalb des Landes zu informieren.

Subventionen in Argentinien

Auch in Argentinien sei die Pressefreiheit eingeschränkt, erklärte kurz darauf Facundo Landívar, Chefredakteur der Zeitung "Clarín": Eine seriöse Regierung habe es nicht nötig, sich mit Medien anzulegen. Die Regierung von Präsidentin Cristina Kirchner gehe auch den anderen Weg und subventioniere Medien, die regierungstreu berichten. "Aber je mehr Geld fließt, desto weniger glauben die Leute das."

"Clarín" sei "grausamen Formen" von Attacken der Regierung ausgesetzt, sagte Landívar: So würden Unternehmen angegriffen, die in der Zeitung inserierten. Es gehe allen Medien so, die die Regierung kritisierten. Bieito Rubidio, Chefredakteur der spanischen Zeitung "ABC", ergänzte: "Guter Journalismus ist immer unbequem, egal, wer regiert."

Bedrohung durch Drogenkartelle

Nicht nur die Regierungen können eine Bedrohung für die Pressefreiheit darstellen. In Mexiko seien es vor allem die Drogenkartelle, die Jagd auf Journalisten machten, erklärte Esteban Alonso, Chefredakteur von "El Universal". Allein 2014 seien 326 Gewaltakte gegen Journalisten gemeldet worden – fast jeden Tag eine, rechnete er vor. Derzeit halte man bei 104 ermordeten Journalisten, und 25 würden im Moment vermisst.

Zumindest etwas Positives steuerte Paulo Paranagua, Journalist bei "Le Monde", bei. Er berichtete über die veränderte Stimmung nach den Attentaten auf die Redaktion des Satiremagazins "Charlie Hebdo". "Es ist etwas Unvorstellbares passiert. Sehr viele Menschen sind auf die Straße gegangen, um 'Charlie' zu verteidigen." Vielen sei dadurch bewusst geworden, welch wichtige Rolle Journalismus und freier Meinungsäußerung in einer Demokratie zukomme.

Erklärung von Valencia

Dieses Recht auf Meinungsäußerung und Pressefreiheit wurde auch in einer elf Punkte umfassenden "Erklärung von Valencia" betont, die rund 30 Chefredakteure von Medien aus Lateinamerika und Europa ausgearbeitet haben. Es werden unter anderem auch der volle Informationszugang und urheberrechtliche Abgeltungen für Autoren gefordert. Die Erklärung wird beim Treffen der Staats- und Regierungschefs aus Europa und Lateinamerika, das am 10./11. Juni in Brüssel stattfindet, als Vorlage diskutiert und soll dort beschlossen werden. (afs, 5.6.2015)