Auch wenn die Stunde der Wahrheit noch so nahe rückt, macht Griechenland keine Anstalten, auf die Forderungen seiner Geldgeber einzugehen. Heute, Freitag, endet - wieder einmal - eine Frist, gut 300 Millionen Euro Kredit des Internationalen Währungsfonds werden fällig. In hektischen Beratungen haben sich die Financiers auf ein "Angebot" an Griechenland geeinigt. Die Frage stellt sich: Worüber haben IWF, Eurozone und Europäische Zentralbank bisher mit Athen verhandelt? Spielt aber ohnehin keine Rolle, denn Alexis Tsipras lehnt die Bedingungen für neue Kredite ab.

Dabei haben die Gläubiger schon ziemliche Konzessionen gemacht. Die Budgetvorgaben für Griechenland wurden erheblich gelockert, von Stellenstreichungen im öffentlichen Dienst ist nichts mehr zu vernehmen, Reformen am Arbeitsmarkt und bei den Pensionen sind Zukunftsmusik. Keine fixen Vorgaben, kein straffer Zeitplan. Und dennoch sagt Tsipras freundlich lächelnd: nein danke. Wie kann das sein? Was führt dazu, dass ein Pleitestaat mit ziemlich kurzem Atem seine Verhandlungsposition laufend verbessern kann? Bei der Antwort muss man das Pferd von hinten aufzäumen: Es liegt genau an den gewährten Hilfen, die Athen in die Hände spielen.

Forderungen und Besicherungen wären nichts wert

Ein Aspekt sind die Notfallmittel, die vom Eurosystem über die nationale Notenbank an griechische Banken vergeben werden und den Wert von 80 Milliarden Euro überschritten haben. Im Falle eines Austritts aus der Eurozone und/oder eines Zahlungsausfalls der Hellenen wären die Forderungen und Besicherungen (durch griechische Staatsanleihen!) nichts wert. Der Verlust käme zu den bereits vergebenen Hilfsmitteln von 240 Milliarden Euro hinzu, deren Einbringlichkeit ebenfalls wackelt.

Warum die Zentralbank-Mittel von Bedeutung sind? Sie verbessern die Lage Athens, weil damit die Kapitalflucht finanziert wird. Die nun im Ausland gebunkerten Vermögen lauten ja weiterhin auf Euro (oder andere Fremdwährung). Im Falle eines Grexits würden die Eurovermögen der privaten Haushalte - bei allen Verwerfungen und negativen Auswirkungen auf verschiedenste Gruppen - massiv aufgewertet. Zwar steigen gegengleich die Schulden, die Griechen jenseits der Grenzen aufgenommen haben, doch sind diese deutlich geringer als ihre Forderungen. Bei den Unternehmen sieht das Bild ähnlich aus, weshalb ein Austritt aus der Eurozone verkraftbar und - dank Währungsabwertung - sehr förderlich für die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit wäre.

Position verbessert

Die Eurozone und der IWF haben offenbar unterschätzt, dass sich die Position von Alexis Tsipras verbessert, je länger er die Geldgeber vertröstet. Angela Merkel, Jean-Claude Juncker und Co sind hingegen nicht bereit, den Geldhahn abzudrehen. Für sie geht es nicht nur um Griechenland, sondern um den Bestand der Währungsunion. Das mögen hehre Motive sein, sie führen aber dazu, dass die Uhr für Griechenland tickt. (Andreas Schnauder, 4.6.2015)