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Auch vor und in der SPÖ-Zentrale in Wien brachten Sozialdemokraten ihren Unmut an: "Kein gelungenes Experiment: Verrat", heißt es auf ihrem Banner.

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Wien – Die Wiener SPÖ-Gemeinderätin und stellvertretende Klubvorsitzende Tanja Wehsely fordert angesichts der möglichen SPÖ-FPÖ-Koalition im Burgenland den sofortigen Rücktritt von Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos. "Mir bleibt nur mehr die Luft weg, die unnötigen Erklärungen werden immer schlimmer. Darabos gehört sofort abgelöst, wenn er seinen Parteichef derart hintergeht. 'Interessantes Experiment', dass ich nicht lache", schreibt Wehsely auf ihrer Facebook-Seite und wird dabei von anderen Wiener Gemeinderäten wie Peko Baxant unterstützt.

Wehsely, Obfrau des Vereins Wiener Jugendzentren und Schwester der Stadträtin Sonja Wehsely, fordert ein Einschreiten von Parteichef und Bundeskanzler Werner Faymann und bittet den burgenländischen SP-Chef Hans Niessl, "umzukehren".

Gemeinderätin warnt vor "teurem Tabubruch"

Wehsely schreibt: "Die FPÖ ist eine strukturell prorassistische, rechtsaußen, autoritätsliebende, maskulinistische Partei. Was das heißt? Der Aufbau einer dritten Republik wurde niedergeschrieben, der historische 'Irrtum' soll umgekehrt werden: Emanzipation, Freiheit für alle und nicht nur weiße Männer, internationale Solidarität, Gleichberechtigung ..."

Weiters erklärt Wehsely: "Ich habe, die SPÖ (Wien jedenfalls) hat KEINE Gemeinsamkeiten mit der selbsternannten 'Heimatpartei'. Da geht es nämlich immer darum, Leute gegeneinander auszuspielen, aufzuhetzen, Angst zu machen. Vielleicht kommt dann mal die Zeit, wo nicht nur 'Ausländer', sondern auch Zuagraste aus den Bundesländern nicht mehr 'wir Wiener' sind. Es ist ein unwürdiges, dummes Spiel mit dem Feuer. Verbrennen vorprogrammiert. Ein Tabubruch, der uns noch viel kosten wird, und damit meine ich nicht nur die Partei."

Wiener SPÖ lockt burgenländische Rote

Der Klubvorsitzende der Wiener SPÖ, Stadtrat Rudolf Schicker, machte derweil via Twitter seinem Unmut Luft – und "frustrierten" burgenländischen Sozialdemokraten ein Angebot zum Seitenwechsel: "Wien ist sicher vor so was, nicht austreten, zur Wiener SPÖ wechseln!"

SP-Jugend kritisiert Rot-Blau

Die SP-Parteijugend hat am Freitagvormittag ihrem Ärger über Rot-Blau im Burgenland im Allgemeinen und die Position von SP-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos im Besonderen Luft gemacht. "Verrat" sei die Zusammenarbeit mit der FPÖ, verkündete ein Transparent an der Parteizentrale in der Löwelstraße. "Nein zu Rot-Blau" skandierten die Vertreter von u.a. SJ, VSStÖ, JG und Gewerkschaftsjugend dazu.

Darabos hatte die rot-blauen Pläne im Süden leidenschaftlos kommentiert und gemeint, das könne sogar ein "gelungenes Experiment" werden. Das findet der Parteinachwuchs nicht und hängte ein mit einem entsprechendem Statement geschmücktes Leintuch ("KEIN gelungenes Experiment - VERRAT") aus einem oberen Stockwerk der Parteizentrale. Wenig später war das Transparent ins Erdgeschoß übersiedelt - man sei von der Partei darum ersucht worden, sagte ein SJ-Sprecher zur APA, was aber kein Rauswurf gewesen sei.

Darabos kritisiert Androsch

Der vielfach kritisierte Darabos kritisierte in einer Aussendung wiederum die Aussagen von Ex-SPÖ-Vizekanzler Hannes Androsch im STANDARD-Interview: "Die Zurufe von Hannes Androsch sind mehr als entbehrlich. Bundeskanzler Werner Faymann hat die SPÖ-Linie bekräftigt und unmissverständlich klargemacht, dass eine Koalition mit der SPÖ auf Bundesebene nicht in Frage kommt."

SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder sieht die geplante SP/FP-Koalition im Burgenland "sehr kritisch". Er appellierte am Freitag im Ö1-"Mittagsjournal" an die burgenländischen Parteien, eine "breite Koalition" auf die Beine zu stellen. Gefordert sieht er dabei allerdings vor allem die ÖVP Burgenland, die aus ihrer "Einigelhaltung" herauskommen und Bereitschaft zu Regierungsverantwortung zeigen müsse.

Er verstehe die Kritiker an Rot-Blau, so Schieder. "Selbst wenn die Freiheitlichen im Burgenland Kreide schlucken und ganz zahm klingen, dahinter steckt ein Herr Strache und ein Herr Kickl. Aus meiner Sicht spricht immer etwas gegen eine Koalition mit der FPÖ", selbst wenn man im Nationalrat gut zusammenarbeite und es einzelne Politiker "mit Handschlagqualität" gebe.

Ritsch zeigt Verständnis für Niessl

"Wer bin ich, der dem Landeshauptmann von Burgenland ausrichtet, was für sein Land das Beste ist?", sagt hingegen der Vorarlberger SPÖ-Chef Michael Ritsch auf die Frage des STANDARD, was er von Rot-Blau im Burgenland hält. Mit der ÖVP, "die ein internes Theater hat", sei es offensichtlich nicht möglich gewesen, eine Koalition zu bilden. Niessls Alternative wäre gewesen, in Opposition zu gehen. "Und das will kein Burgenländer", so Ritsch.

Zum SPÖ-Parteitagsbeschluss, der eine Koalition mit der FPÖ auf allen politischen Ebenen ablehnt, sagt Ritsch: "Im Bund kann ich mir eine Koalition mit der rechtsradikalen FPÖ unter Strache nicht vorstellen." Prinzipiell werde es aber immer schwieriger, Koalitionen zu bilden.

Rot-Blau für Ritsch auch im Bund denkbar

Würde die FPÖ im Bund ihr politisches Personal an der Spitze – namentlich Heinz-Christian Strache – austauschen und vom rechtsradikalen Image wegkommen, wäre auch dort eine Koalition denkbar, sagt Ritsch zum STANDARD. "Die Koalition von ÖVP und SPÖ will ohnehin keiner mehr." Leise kritisiert er Niessl dafür, dass dieser den Bundesparteivorstand nicht vorab von seiner Entscheidung informiert habe.

Kritik aus Salzburg

Der Salzburger SPÖ-Chef Walter Steidl steht der bevorstehenden rot-blauen Koalition im Burgenland sehr skeptisch gegenüber. Niessl müsse seine Entscheidung selbst verantworten, sagt Steidl dem STANDARD. "Ich bin grundsätzlich skeptisch, ob es klug ist, die SPÖ-Wähler mit einer Koalition mit der FPÖ zurückzuholen." Aber er kenne die Verhältnisse und auch das Programm der neuen Koalition im Burgenland noch nicht.

Dass sich Niessl mit einer rot-blauen Koalition de facto über einen Bundesparteitagsbeschluss hinwegsetzt, ist für Steidl Auslegungssache. Man könne den Beschluss auch so interpretieren, dass er nur die Bundes- und nicht die Landesebene betreffe. Grundsätzlich müsse man den Freiheitlichen vor einer Zusammenarbeit drei Fragen stellen, betont Steidl: "Wie hält es die FPÖ mit der Migrationsfrage, wie mit der europäischen Integration und wie mit dem rechten Rand?“ Diese Fragen hätten die Blauen bisher noch nie beantwortet, weder auf Bundes- noch auf Landesebene. Seien diese drei Fragen nicht positiv zu beantworten, könne es auch keine Zusammenarbeit geben. "Es muss mit den sozialdemokratischen Grundwerten übereinstimmen. Ich sehe diese Übereinstimmung nicht."

Freiheitskämpfer kritisieren Niessl für "Überraschungscoup"

Auf Bundesebene ist Steidl ganz auf der Line von Kanzler Faymann: "Für eine Zusammenarbeit mit der Strache-FPÖ brauchen wir keinen Gedanken zu verschwenden. Das ist ausgeschlossen. Strache wird sich auch inhaltlich nie ändern.“

Johannes Schwantner, Vorsitzender des Bundes Sozialdemokratischer Freiheitskämpfer, lehnt im Gespräch mit dem STANDARD die Zusammenarbeit mit der "ausländerfeindlichen und rassistischen FPÖ" ab. Niessl kritisiert er für seinen "Überraschungscoup, den dieser über die Feiertage geschickt eingefädelt hat".

Mayr: Auf sozialdemokratische Werte konzentrieren

Auch aus Tirol gibt es scharfen Gegenwind für Rot-Blau und Darabos. Der Tiroler SPÖ-Vorsitzende Ingo Mayr hält nichts von einer Zusammenarbeit seiner Partei mit der FPÖ. "Von einem gelungenen Experiment zu sprechen empfinde ich schlichtweg als Hohn", kritisierte Mayr Darabos in einer Aussendung.

"Gerade die Landtagswahlen in der Steiermark und im Burgenland haben gezeigt, dass eine Anbiederung an die Blauen nichts bringt und die Stammwählerschaft weiter bröckeln lässt", meint der Tiroler SP-Chef Mayr. Vielmehr sehe er die Notwendigkeit, den vor 20 Jahren eingeschlagenen "Politikstil der Mitte" zu verlassen und sich wieder auf die sozialdemokratischen Werte zu konzentrieren.

Es gebe viele Menschen, die Angst vor der Zukunft hätten und sich das tägliche Leben nicht mehr durch Arbeit leisten könnten. Sie hätten entweder einen schlecht bezahlten Job, fürchteten Jobverlust oder seien arbeitslos.

Die FPÖ schüre deren Ängste, ohne politisch etwas dagegen zu tun, kritisiert Mayr. Er schließt aus diesem Grund eine Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen "grundsätzlich" aus. Mit der FPÖ zu koalieren, um die Macht zu erhalten, "diffamiert uns vor den Menschen", so Mayr.

Voves schließt Koalition mit "Strache-FPÖ" aus

Der steirische LH Franz Voves (SPÖ) schloss für sich persönlich "eine Koalition mit der 'Strache-FPÖ'" aus. Diese beheimate "gerichtlich verurteilte 'Wiederbetätiger und Hetzer'", hieß es in einer Aussendung.

"Auch die christlich-soziale ÖVP sollte endgültig aus der Geschichte gelernt haben und nicht nochmals diese rechts-rechte FPÖ salonfähig machen", appellierte der Landeshauptmann an die ÖVP. Er meinte aber, dass die Ursachen für das starke Abschneiden der FPÖ sowie der hohe Anteil an Nichtwählern ergründet werden müssen. "Die Unsicherheiten in Europa und im Umfeld Europas verlangen ein Zusammenstehen der 'Nichtpopulisten'. Der andere Weg würde über kurz oder lang zu einer vorhersehbaren Katastrophe führen", erklärte Voves. (burg, ruep, völ, APA, 5.6.2015)