Wien - Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl hat die von ihm eingegangene Koalition mit der FPÖ am Samstag gegen SP-interne Kritik verteidigt. Er müsse die Meinung des Landesparteivorstandes und der Mitglieder der Landespartei vertreten, verwies er im Ö1-"Mittagsjournal" auf entsprechende Beschlüsse. Außerdem sei die FPÖ im Burgenland eine andere als in anderen Bundesländern, betonte er.

Führungsanspruch der ÖVP

Niessl verwies im ORF-Radio auf eine vor der Landtagswahl durchgeführte Befragung der Mitglieder der Landespartei: Dabei hätten sich 88 Prozent der Befragten dafür ausgesprochen, dass die SPÖ Burgenland nach der Wahl mit allen im Landtag befindlichen Parteien Gespräche führt. Außerdem habe die ÖVP bei den Sondierungsgesprächen den Führungsanspruch gestellt, begründete Niessl seinen Schritt.

Zum scharfen innerparteilichen Protest gegen seine Entscheidung (die SP-Jugendorganisationen wollen bei einem Partei-Schiedsgericht Niessls Parteiausschluss beantragen) sagte der Landesparteichef: "Die Jugend hat ja bei uns im Landesparteivorstand mitgestimmt, es gab einen einstimmigen Beschluss, wo alle Organisationen vertreten waren." Er habe das Burgenland zu vertreten: "Wir haben uns an die Beschlüsse des Landesparteivorstandes zu halten", sagte er. Niessl betonte, jede Landesorganisation der SPÖ sei eine andere.

"Kein rechtsextremer Sager"

Stimmen innerhalb der SPÖ, die vor Fremdenfeindlichkeit oder Verhetzung durch die Freiheitlichen warnen, seien ihm nicht egal, sagte Niessl - aber: "Auch die FPÖ Burgenland ist anders, denn Sie haben von der FPÖ Burgenland in den letzten 15 Jahren (...) keine rechtsextremen Sager gehört, und da gibt es das auch nicht, und auch der Wahlkampf der FPÖ Burgenland war ein anderer als zum Beispiel in der Steiermark oder in anderen Bundesländern."

Bundeskanzler Werner Faymann sieht Niessl nicht in Frage gestellt. Rufe nach dessen Ablöse würden ja nur von "einzelnen Funktionären" innerhalb der SPÖ kommen, so der Landeschef. Den Standpunkt Faymanns, wonach dieser auf Bundesebene eine Koalition mit der FPÖ weiterhin ausschließt, finde er "sehr in Ordnung". Andererseits akzeptiere dieser auch die Entscheidungen der SPÖ Burgenland, so Niessl. Aus seiner Sicht ist das Verhältnis zum Bundespartei-Vorsitzenden nicht getrübt, sagte er.

Darabos' Zukunft ungewiss

Keine Auskunft gab Niessl über die noch anstehenden Personalentscheidungen im roten Landesregierungs-Team. Zwei Posten sind ja noch zu vergeben, hier werde man am Montag oder Dienstag eine Entscheidung bekannt geben, verwies er auf die bereits bekannten Pläne. Auf die Frage, ob SP-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos - der als Kandidat für den Posten des Soziallandesrates gehandelt wird - in der künftigen Landesregierung vertreten sein wird, wollte Niessl nichts sagen.

Keine Schonfrist

Für die neue rot-blaue Regierung im Burgenland gibt es offenbar keine Schonfrist: Bereits nächste Woche führen ÖVP, Grüne und LBL (Bündnis Liste Burgenland) Gespräche, kündigte am Samstag der geschäftsführende ÖVP-Landesparteiobmann Thomas Steiner an: "Eine nur auf Machterhalt ausgerichtete Koalition ist von der ersten Minute an genauestens zu kontrollieren", so Steiner in einer Aussendung.

"Das Burgenland darf kein zweites Kärnten werden", kommentierte Steiner den rot-blauen Koalitionspakt und wiederholte seine Kritik, dieser sei "von langer Hand geplant" gewesen und "ein abgekartetes Spiel zwischen Niessl und Strache." Es brauche daher eine starke Oppositionspolitik. Dass die ÖVP nicht immer bereit gewesen wäre, Regierungsverantwortung zu übernehmen, bezeichnete Steiner als "glatte Lüge".

Strache spricht vom "Meilenstein freiheitlicher Politik im Burgenland"

Als einen "Meilenstein freiheitlicher Politik im Burgenland" hat FPÖ-Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache die Regierungsbeteiligung der burgenländischen Blauen bei einer Pressekonferenz in Wien am Samstagvormittag bezeichnet. Bei der Koalition mit der SPÖ handle es sich um die Umsetzung des Wählerwillens und er zögere nicht, dafür auch Landeshauptmann Niessl (SPÖ) seinen Respekt zu zollen.

Niessl habe sich von der Ausgrenzungs- und Einigelungsmentalität der SPÖ befreit und persönlich "letztlich auch Größe gezeigt, Charakter und Standfestigkeit" - und erkannt, dass vonseiten der burgenländischen Bevölkerung Erneuerungswille bestehe, sagte Strache auf der gemeinsam mit dem burgenländischen FPÖ-Chef Hans Tschürtz gehaltenen Pressekonferenz. "Ich bin mit Sicherheit nicht der Vater der Koalition zwischen FPÖ und SPÖ im Burgenland, sondern wenn, dann bin ich der Taufpate", so der FPÖ-Bundesparteiobmann zum Zustandekommen der neuen Landesregierung. Das Regierungsprogramm trage eine "deutlich sichtbare freiheitliche Handschrift".

Vonseiten der Bundespartei habe es keinen Druck auf die burgenländische FPÖ gegeben, die Parteikollegen hätten autonom agiert. Andere Parteikonstellationen hätten keine stabilen Mehrheiten gebracht, sagte Strache, und die burgenländische ÖVP brauche eine "Selbsttherapie".

In der Befragung der burgenländischen SPÖ-Parteimitglieder über eine mögliche Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen sieht Strache ein "sehr, sehr deutliches basisdemokratisches Votum". Die SPÖ-Basis denke offensichtlich anders als so manche SPÖ-Spitzenfunktionäre auf Bundesebene "oder in der einen oder anderen Landespartei wie Wien". "Ich kann der SPÖ nur empfehlen, eine Basisabstimmung einmal bundesweit vorzunehmen," sagte Strache und sprach vom Handlungsbedarf der Sozialdemokraten.

Dirty Campaigning

Angesichts der kommenden Landtagswahlen in Oberösterreich und Wien zeigte sich Strache optimistisch. In Oberösterreich sei ein Ergebnis über 20 Prozent "möglich und machbar". Man könne die Sozialdemokratie überholen und zweitstärkste Kraft werden. "Dann wird in der Sozialdemokratie das nächste große Heulen und Zähneklappern stattfinden."

In Wien, "der Mutter aller Wahlkampfauseinandersetzungen", rechnet der FPÖ-Parteiobmann mit Dirty Campaigning seitens der SPÖ: "Die roten Strategen werden ganz tief in den Schmutzkübel greifen - doch so was hat uns nie aufgehalten." Strache zeigte sich überzeugt, ein Ergebnis von "weit über 30 Prozent" einfahren zu können. Der Wiener SPÖ prognostiziert er ein Hinabrutschen "weit unter 40 Prozent".

Der neue Landeshauptmann-Stellvertreter Tschürtz zeigte sich mit der Koalitionsabgkommen inhaltich zufrieden: "Nach ernsthaften und von gegenseitigem Respekt getragenen Verhandlungen geht es jetzt Schlag auf Schlag - wir werden rasch mit der Arbeit beginnen", sagte er. (APA, 6.6.2015)