Gotfrid Köchert auf Porsche A550 A bei der Mille Miglia 1956.

Foto: Köchert

Das Bild zeigt den bärtigen Harald Ertl (rechts; neben ihm Peter Urbanek) beim kuriosen Grand Prix von Israel in Aschkalon (1970).

Foto: Archiv Peter Urbanek

Rudi Lins nach dem 24-Stunden-Rennen von Le Mans 1970 (fünfter von links); links von Lins übrigens Helmut Marko und Ferry Porsche.

Foto: Autohaus Rudi Lins GmbH & Co KG

Wenn heute der Formel-1-Zirkus oder die DTM in Österreich am Red Bull Ring vorbeikommt, dann glauben viele, das sei Teil der heimischen Motorsportszene. Ein Irrtum, diese Kurzauftritte sind eher mit den pompösen Shows prominenter Popkünstler vergleichbar. Lauter Auftritt, schon sind sie wieder weg. Einen nationalen Rundstreckensport gibt es leider nicht mehr, der rührige Histo-Cup, wo in die Jahre gekommen Aktive ihre historischen Vehikel bewegen, bildet keinen Ersatz. Etablierte Könner wie Alexander Wurz oder Karl Wendlinger, aber auch engagierte österreichische Nachwuchstalente müssen ihr Glück im Ausland versuchen.

Als in den Nachkriegsjahren ab 1956 das Wirtschaftswunder anlief, konnte die Begeisterung für den Rennsport in die Realität umgesetzt werden. Das Zauberwort hieß Flugplatzrennen, in Wien (Aspern), Zeltweg, Innsbruck, Graz, Klagenfurt, Langenlebarn und Linz wurden Strohballen ausgelegt und die Motoren angeworfen. Internationale Teilnehmer, sogar die Elite der damaligen Formel 1, trat gegen das heimische Rennvolk an, Amateure, die sich Fahrzeug und Rennen selbst bezahlten.

Leistbarer Motorsport

Eine Komponente war zusätzlich entscheidend: Internationale Markenbewerbe wie Alfasud-Cup, Renault-R5-Meisterschaft oder Ford Escort Trophy erlaubten leistbaren Motorsport. Aber erst die Formel-V-Rennwagen-Meisterschaft (Volkswagen) schuf die Basis für internationale Karrieren, der geniale Konstrukteur Kurt "Master" Bergmann aus Essling bei Wien sei hier als unvergessen genannt.

Jochen Rindt, um 1965 schon etabliert, Le-Mans-Sieg und so, trat als Instruktor auf, Schüler wie Helmut Marko, Dieter Quester, Harald Ertl, Helmut Koinigg, Günther Huber (war 1966 am Nürburgring nur zwei Minuten langsamer als Jack Brabham im Formel-1-Wagen) oder Peter Peter hörten auf seine Tipps. Die Formel V, weltweit ein Erfolg, wurde zum Stahlbad für künftige Spitzenfahrer. Wer sich dort bewährte, war fit für höhere Aufgaben.

Der Satz von Martin Luther King 1960 – "I have a dream" – war auch für die österreichische Motorsport-Elite das Leitmotiv. Nach Jochen Rindt war in der Königsklasse Niki Lauda der große Star, die Rennfahrerkarriere von Helmut Marko beendete 1972 ein Stein beim GP von Frankreich. Der Unfall kostet ihn ein Auge. Helmut Berger kam aus dem Alfasud-Bewerb, Dieter Quester saß nur einmal im Formel-1-Renner.

Kurze Karriere

Vergessen sind jene Fahrer aus der VW-Schmiede, die nicht mehr unter uns weilen. 1974: Das Thema Formel 1 dauerte bei Helmut Koinigg, Jahrgang 1948, nur wenige Monate. Im Tourenwagensport war er zu dieser Zeit schon ein Klassefahrer. Beim gemeinsamen Abendessen mit dem Autor dieser Zeilen in Koiniggs Wohnung am Hietzinger Kai in Wien (es gab faschierte Laibchen mit Kartoffelpüree) entstand das Konzept "Start beim GP von Österreich in Zeltweg 1974".

Der damalige Elan-Werbeleiter Raimund Pawlik organisierte die 150.000 Schilling für die Miete eines recht betagten Brabham BT 42 aus Italien. Koinigg verfehlte im Training knapp die Qualifikation, doch John Surtees holte ihn in sein Team. Der zehnte Platz beim GP von Kanada gab Hoffnung, zwei Wochen später beendete am 6. Oktober 1974 in Watkins Glen eine Leitschiene sein Leben.

Der bärtige Harald Ertl aus Zell am See, ebenfalls Jahrgang 1948, kämpfte sich mit großem Herz durch viele Klassen bis zur Formel 1. Mutig kaufte er sich 1975 ins englische Hesketh-Team ein (dort duftete es immer nach Parfum), auf gute Platzierungen folgten technische Desaster. Beim Rennen auf dem Nürburgring am 1. August 1976 ging Ertl in die Motorsportgeschichte ein: Gemeinsam mit Brett Lunger, Guy Edwards und Arturo Merzario rettete er Niki Lauda aus dem brennenden Ferrari. Ertl starb, schon in Rennfahrer-Rente, beim Absturz eines Privatflugzeuges am 7. April 1982.

Aus Wien stammte Jo Gartner, Baujahr 1954, ohne große private Mittel, aber mit viel Ehrgeiz ausgerüstet. Drei Jahre Super Formel V erlaubten 1979 den Übertritt zur Formel 3. 1984 konnte er acht Formel-1-Rennen für das Osella-Team mit Alfa-Motoren bestreiten. Im Sportwagen war er Weltklasse, er siegte bei den 12 Stunden von Sebring auf Porsche 962, in Le Mans wurde es Rang 4. Am Steuer des Porsche 962C aus dem Kremer-Team verunglückte Gartner am 1. Juni 1986 um 3.10 Uhr morgens tödlich bei den 24 Stunden von Le Mans.

Leidenschaft

Der stets freundliche Vorarlberger VW-Händler Rudi Lins (Jahrgang 1944) stieg nie in einen Formel-1-Rennwagen ein, die Sportwagen von Porsche waren sein Metier. Europabergmeister 1967, dritter Gesamtrang mit Helmut Marko auf Porsche 917 in Le Mans 1970, Spitzenränge in der Sportwagenweltmeisterschaft, sowohl in Spa, Sebring, Watkins Glen und Paris als auch auf dem Österreichring. Und 2007 bewies Rudi Lins beim Oldtimerfest in Aspern, dass Fahrkönnen keine Altersfrage ist.

Die einmaligste Erscheinung jener großen Tage ab 1955 war aber wohl der Wiener k. u. k. Hoflieferant und Juwelier Gotfrid Köchert. Mit 38 Jahren löste er 1956 die erste Rennlizenz für die Mille Miglia auf Porsche 550 Spyder. Ein Jahr später schaffte er auf Ferrari 500TRC Rang zehn im Gesamtklassement – und zwar mutterseelenallein fahrend! Köchert, väterlicher Freund von Jochen Rindt, Olympiateilnehmer 1960 im Segeln, verstarb 1986 an den Folgen einer Herzattacke.

Diese Namen stehen stellvertretend für weitere Österreicher wie Roland Ratzenberger oder Markus Höttinger, alles vergessene Helden des Motorsports. Österreichs Blutzoll im Motorsport war einmalig. Eines gilt aber für alle: Sie stiegen, anders als heute, nicht als Kart-Zwerge in das Sportcockpit. Und eine solide Berufsausbildung war fast selbstverständlich. (Peter Urbanek, Rondomobil, 25.6.2015)