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Obwohl Romane hauptsächlich von Frauen gelesen werden, kommen Geschichten, in denen sie selbst vorkommen, beim Literaturestablishment nicht so gut an.

Foto: APA/EPA/JUSTIN LANE

In der Literaturszene gibt es offenbar noch starke Vorbehalte gegenüber frauenzentrierten Geschichten. Diesen Verdacht legt eine Studie nahe, die die US-britische Autorin Nicola Griffith vor kurzem veröffentlichte.

Das zentrale Ergebnis ihrer Untersuchung: Je renommierter ein Literaturpreis ist, desto seltener wird eine Geschichte, die aus Frauenperspektive erzählt wird und/oder von einer Frau oder einem Mädchen handelt, ausgezeichnet. Griffith, selbst Schriftstellerin und Preisträgerin verschiedenster Auszeichnungen, untersuchte die GewinnerInnen von Pulitzer, Man Booker, National Book Award, National Book Critics Circle Award, Hug und Newbery Medal Winners innerhalb der letzten 15 Jahre. Zudem schloss sie die PreisträgerInnen mit dem jeweiligen Plot kurz.

Pulitzer kommt ohne "Frauengeschichte" aus

Für den Pulitzer-Preis, wohl der bedeutendste Literaturpreis in der angloamerikanischen Welt, fand sie heraus, dass in den letzten 15 Jahren keine einzige Autorin den Preis für ein Buch bekam, das völlig aus der Perspektive einer Frau erzählt wurde. Hingegen wurden acht Autoren für Geschichten über Männer prämiert, drei Autorinnen für Bücher über Männer sowie drei Autorinnen, die sowohl aus männlicher als auch weiblicher Perspektive erzählten.

Der Man Booker Preis wurde zwischen 2000 und 2014 an neun Schriftsteller über Männer/Buben, drei Schriftstellerinnen über Männer/Buben, zwei Autorinnen über Frauen/Mädchen und einer Autorin über beides verliehen. Und so geht es mit den anderen Preisen weiter. Zentral bleibt jeweils die Erkenntnis, dass Geschichten über Frauen/Mädchen weniger oft ausgezeichnet wurden.

"Literarische Läuse" bei Frauen

Auf ihrem Blog fand Griffith klare Worte über das Ergebnis: "Es scheint so, dass die weibliche Perspektive als langweilig oder unwürdig angesehen wird. Frauen scheinen literarische Läuse zu haben."

Die Gründe für das schlechtere Abschneiden von Frauengeschichten sind nicht leicht zu finden. Jedenfalls lag es nicht an der Geschlechterverteilung in den jeweiligen Jurys, ob Frauenperspektiven erfolgreich waren. Für Griffith ist es die Kultur, in der wir uns alle bewegen, die zu so einem Ergebnis führe: "In dieser Kultur ist die männliche Perspektive immer noch die reale, der Standard. Frauenstimmen sind dagegen nur Details."

An dieser Tiefenstruktur der Literaturwelt hat sich offenbar immer noch nichts verändert, obwohl Frauen inzwischen den weit größten Teil der LeserInnen von Romanen ausmachen. (freu, 9.6.2015)