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Wolfgang Rangger ist der erste Mensch mit fühlender Beinprothese.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Er hat keine Schmerzen mehr - aber genug "Fußgefühl" zum Radfahren...

Foto: Hubert Egger

...und Klettern

Foto: Hubert Egger

Wien - Vor acht Jahren hat Hubert Egger, einer der weltweit führenden Prothesenforscher, bereits einmal für internationales Aufsehen gesorgt: Der aus Südtirol stammende Professor für Prothetik an der FH Oberösterreich stellte 2007 die europaweit erste gedankengesteuerte Armprothese vor, was auch für erhebliches mediales Aufsehen sorgte.

2007 war auch ein Schlüsseljahr für Wolfgang Rangger: Der damals 46-Jährige erlitt einen Schlaganfall. Eine Folge davon war, dass ihm der rechte Unterschenkel amputiert werden musste. Damit nicht genug: Der Patient litt bald unter so starken Phantomschmerzen, dass er seinen Beruf nicht mehr ausüben konnte.

Phantomschmerzen entstehen unter anderem, weil das Gehirn Informationen von den Gliedmaßen erwartet, aber nicht erhält. Die verbliebenen Nerven liefern quasi sinnlose Signale, und ähnlich wie bei einem Autoradio in einem Tunnel führt das dann gleichsam zu lautem Rauschen, wie Hubert Egger erklärt.

Reaktivierte Nerven

Werden bei normalen Amputationen die Nervenenden abgetrennt und weit zurück in den Körper verlagert, so hat das Team um die Chirurgin Eva-Maria Baur von der Uniklinik Innsbruck im Vorjahr die Nerven reaktiviert und ihnen neues Leben eingehaucht. Die Ärzte verlegten jene Nervenenden, die früher die Informationen aus dem Fuß verarbeitet haben, in ein empfindliches Hautareal des Beinstumpfes.

Anders als bei der gedankengesteuerten Armprothese, bei der Signale aus dem Gehirn in die Prothese geleitet werden, passiert bei der neuen Beinprothese genau das Gegenteil. An sechs Stellen des Beinstumpfs wird der ehemalige Fuß abgebildet: Der Patient spürt nicht den Stumpf, sondern jene Partie des Fußes, die aktiviert wurde.

Schmerzfreie Aktivitäten

Zusätzlich musste die Prothese aus Karbon mit sechs Drucksensoren im Fersenbereich, im Mittel- und Vorfuß- sowie im Zehenbereich ausgestattet werden. Die elektrischen Signale werden verstärkt, weitergeleitet und bringen Stimulatoren im Schaft der Prothese zum Vibrieren: und zwar genau an der Stelle, an der die Chirurgen die "Fußnerven" auf die Haut des Stumpfes verlegt haben.

Das Ergebnis ist in jeder Hinsicht beeindruckend: Wenn man Wolfgang Rangger beim Gehen oder Stiegensteigen beobachtet, würde man kaum auf die Idee kommen, dass er auf einer Seite mit einer Prothese geht. Und er selbst ist nicht nur schmerzfrei, sondern kann nun auch wieder Radfahren oder Klettern.

Bei der fühlenden Prothese handelt es sich um einen Prototyp. Egger denkt aber längst weiter: Er will sein Wissen jungen Unternehmen zur Verfügung stellen, damit diese ohne Behinderungen durch Patente günstige Prothesen entwickeln - auch für Betroffene in ärmeren Weltregionen. (tasch, 8.6.2015)