Rucola übersteht unseren Winter und blüht von April bis Juni.

Illustration: Dennis Eriksson

Unser Gartler hat es gut. Noch ein wenig müde steht er barfuß im Morgentau seiner Beete und lauscht der Amseln Gesang. Sein Frühstück ist bescheiden. Aus dem im Vorjahr angebauten Weizen hat er sich Vollkornmehl gemahlen, dieses mit kosmisch energetisiertem Demeterwasser und eigenhändig geerntetem Salz aus dem Zicksee verrührt und daraus feines Brot gebacken. Die Butter hat er selbst geschöpft, damals im Lungau auf der Alm.

Gedankenverloren streicht er über die noch nicht aufgeblühten Lavendeltriebspitzen und pflückt sich ein paar Blättchen Rucola aus dem Beet. Rucola (Eruca vesicaria subsp. sativa) ist eine dankbare Pflanze. Einmal in die Beete gebracht, breitet sie sich ständig aus und gedeiht sogar unter der Schneelast eisiger Februarnächte. Das gilt auch für Diplotaxis tenuifolia, ebenso Rucola genannt. Während Eruca sativa gerne auf lehmig-sandigen Böden gedeiht, findet man Diplotaxis tenuifolia in erster Linie auf der Pizza. Unser stiller Gartler liebt es, Selbstgebackenes mit Selbstangebautem zu essen.

Bitter kontrastiert der Rucola die Süße der Butter, scharf schneiden die Aromen des Senföls am Gaumen. Welch Genuss! Als morgendlichen Höhepunkt freut sich unser Gartler über die winzigen Walderdbeeren, die gleich hinter dem Rucola, etwas mehr im Schatten, so schön gedeihen.

Rasche Besiedler

Die Fragaria vesca übersteht unseren Winter wintergrün und blüht von April bis Juni. Ihre Früchte sind von aromatischem Zauber. Da sie sich über Ausläufer vegetativ vermehrt, besiedelt sie rasch die Beete. Behutsam pflückt sich unser Gartler eine Frucht und zerdrückt sie am Gaumen. Welch Genuss!

Wie fast täglich kommt auch an diesem Tag die fremde Katze vorbei und umschleicht den Gartler, schmiegt sich an seine Beine und schnurrt. Das zarte Kätzchen miaut ein wenig und freut sich über die bereitgestellte, mit Wasser verdünnte Milch. Das ist das wahre Gartlerglück!

Das Kätzchen stapft ein paar Schritte neben dem Gartler einher, schnuppert an Gräserrispen, macht einen krummen Rücken und bekommt einen stieren Blick. Es hebt den Schweif, man sieht förmlich die eruptive Peristaltikwelle über den eleganten Körper laufen, und dann verteilt es mit feinem Sprühnebel Drüsenduft und Arschwasser über Rucola und Walderdbeeren. Hoffentlich war es das erste Mal, denkt der Gartler. Welch Genuss! (Gregor Fauma, Rondo, 17.6.2015)