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Migranten an einem sizialianischen Hafen nach der Rettung durch die britische HMS Bulwark.

Foto: REUTERS/Antonio Parrinello

Genf - Seit Jahresbeginn sind nach Angaben der UNO und der Internationalen Organisation für Migration (IOM) schon mehr als 100.000 Menschen über das Mittelmeer nach Europa geflohen. Dies sei ein "dramatischer Anstieg", erklärte das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) am Dienstag in Genf. Die UNHCR-Präsenz in Griechenland und Italien werde verstärkt, um bei der Versorgung der Menschen zu helfen.

Die Schwelle von 100.000 sei damit etwas früher überschritten worden als im vergangenen Jahr, teilte die IOM mit. Für die nächsten Monate werde ein starker Anstieg der Flüchtlingszahlen erwartet. "Eine ruhigere Wetterlage dürfte Schlepper ermutigen, nicht seetüchtige offene Boote mit noch mehr schutzlosen Menschen zu füllen", sagte IOM-Sprecher Leonard Doyle.

Die Zahl der an den europäischen Küsten gelandeten Migranten ist dem UNHCR zufolge auf insgesamt 103.000 gestiegen, alleine am Wochenende waren 6.000 Menschen in Süditalien an Land gebracht worden. Die Gesamtzahl für Italien seit Beginn des Jahres stieg auf 54.000, in Griechenland sind es 48.000. 920 weitere Ankömmlinge wurden in Spanien gezählt, 91 in Malta.

Fast 2.000 Todesfälle

Wie UNHCR-Sprecher Adrian Edwards weiter mitteilte, kamen auf der gefährlichen Überfahrt in diesem Jahr bereits fast 1.800 Flüchtlinge ums Leben. Den extremen Anstieg der Zahlen machte der Sprecher am Beispiel Griechenlands deutlich: Im gesamten vergangenen Jahr zählten die dortigen Behörden 34.000 Flüchtlinge, während die Zahl in diesem Jahr schon bei 48.000 liegt.

In Italien hatten am Sonntag die drei nördlichen Regionen Ligurien, Lombardei und Venetien gewarnt, sie würden keine weiteren Flüchtlinge aufnehmen. Auch unter den EU-Ländern wird über die Verteilung der Immigranten gestritten. Viele Hauptstädte stemmen sich gegen den Plan der EU-Kommission, 40.000 Flüchtlinge aus Italien und Griechenland nach einem Quotenschlüssel zu verteilen.

Nach Angaben der EU-Grenzschutzbehörde Frontex haben sich die Flüchtlingsbewegungen seit Jahresbeginn verändert: Frontex verzeichnete vor allem über die Route durch die Ägäis von der Türkei nach Griechenland eine dramatische Zunahme. Verändert habe sich auch die Zusammensetzung der Flüchtlingsströme, teilte die Agentur kürzlich mit. Bei den Menschen, die über die Türkei nach Griechenland kommen, handle es sich insbesondere um Asylsuchende, vor allem Syrer. In Italien landeten überwiegend Menschen aus den südlich der Sahara gelegenen Ländern, die vor der Armut in ihrer Heimat fliehen.

Entscheidung über Quote droht Verzögerung

In der Frage der Aufteilung der Flüchtlinge auf die EU-Staaten droht indes eine Verzögerung der Entscheidung bis Herbst. Beim Treffen der Justiz- und Innenminister Anfang kommender Woche in Luxemburg werde kaum eine Einigung zu erreichen sein, hieß es von EU-Diplomaten am Dienstag. Auch ein Durchbruch beim EU-Gipfel Ende Juni in Brüssel sei angesichts der verhärteten Fronten ungewiss.

Wegen der dann anstehenden Sommerpause dürfte eine Entscheidung deshalb frühestens im September fallen. Die Vorschläge der EU-Kommission, Flüchtlinge nach einem bestimmten Schlüssel verpflichtend über die EU-Länder zu verteilen, waren vor allem in osteuropäischen Mitgliedsstaaten auf Ablehnung gestoßen.

So wurde am Dienstag bekannt, dass die estnische Regierung beim Nein zur vorgeschlagenen Quote bleibt. Estland sei bereit, eine begrenzte Anzahl an Flüchtlingen aufzunehmen, die der Bevölkerungsgröße und der Wirtschaftskraft des baltischen Landes in der EU entsprächen, teilte die Staatskanzlei in Tallinn am Dienstag mit. Verbindliche Quoten würden aber abgelehnt.

Aber auch Länder wie Spanien oder Portugal stehen den Plänen angesichts der hohen Arbeitslosenzahlen und wirtschaftlichen Probleme im eigenen Land skeptisch gegenüber. Deutschland, Italien und Österreich begrüßten die Vorhaben der EU-Kommission dagegen. Für Großbritannien, Irland und Dänemark hatte die Brüsseler Behörde Ausnahmen vorgesehen. Neben den EU-Staaten muss auch das EU-Parlament den Vorschlägen zustimmen. (APA/dpa/Reuters, 9.6.2015)